Auch grüner Kapitalismus kann brennen!

Wäh­rend in London die Straßen brennen und Ju­gend­liche nach Paris und Athen ein wei­teres mal einer Ge­sell­schaft, die alles ver­spricht und wenig hält, einen Spiegel vor­halten, ver­folgen wir mit zu­neh­mender Ver­wun­de­rung die öf­fent­liche Dis­kus­sion um  Ge­walt nach der Wa­gen­platz­räu­mung von Kom­mando Rhino in Frei­burg. Nicht die Zer­stö­rung des Wa­gen­platzes steht im Mit­tel­punkt, son­dern ei­nige fried­lich vor sich hin­bren­nende Bau­ge­räte und Bar­ri­kaden auf der Straße.

Wir können ver­stehen, dass sich die Be­wohner_innen des Wa­gen­platzes vor dem Hin­ter­grund dieser Si­tua­tion unter Druck fühlen, doch Kom­mando Rhino hat keine Ver­an­las­sung sich zu di­stan­zieren. Not­wendig ist an­ge­sichts der Sach­lage nicht, den un­ver­schämten For­de­rungen der Stadt und Po­lizei den An­schein ir­gend­einer Le­gi­ti­mität zu ver­leihen, son­dern deren Po­litik eine Ab­sage zu er­teilen und wei­tere Pro­teste auf der Straße zu or­ga­ni­sieren.

Die Re­pres­sion, von der ver­schie­dene Pro­jekte durch meh­rere Durch­su­chungen, Ver­fahren und die Räu­mung des Wa­gen­platzes be­troffen sind, emp­finden wir als An­griff gegen au­to­nome Struk­turen und eman­zi­pa­to­ri­sche Po­litik in Frei­burg ins­ge­samt. Wir er­klären des­halb un­sere Un­ter­stüt­zung au­to­nomer Gruppen und linker Struk­turen, die sich in Frei­burg gegen die der­zei­tige Re­pres­sion wehren.

Die For­de­rung nach Di­stan­zie­rung dient al­lein der Ver­schie­bung des me­dialen Dis­kurses auf eine Ebene, auf der die realen po­li­ti­schen Kon­flikte ent­sorgt werden. Wie viel Selbst­si­cher­heit und Ar­ro­ganz be­steht ei­gent­lich in den El­fen­bein­türmen der Po­litik, wenn er­wartet wird, dass es nach einem sol­chen Vor­gehen der Po­lizei ir­gend­eine Ver­an­las­sung für eine Ent­schul­di­gung von jenen gibt, die eine au­to­ri­täre staat­liche Macht er­fahren, die mit Bag­gern und Knüp­peln al­ter­na­tiven Wohn­raum zer­stört.

Wovon ei­gent­lich di­stan­zieren? Die pu­bli­zierten Mo­lo­tow­cock­tails auf Feu­er­wehr­leute of­fen­barten sich als die gleiche Pro­pa­ganda, wie die For­de­rung nach einer Di­stan­zie­rung selbst. Das an­geb­lich ge­spannte Draht­seil, wel­ches als heim­tücki­sche Falle dar­ge­stellt wurde, war nach an­deren Be­richten durch Ab­sperr­band und Warn­schilder ge­si­chert und wohl vor allem eine Schutz­maß­nahme und War­nung vor Ge­gen­ständen auf der Fahr­bahn. Ob­wohl wir an dieser Form der Stra­ßen­ab­sper­rung mit einem ge­spanntem Seil Kritik haben und davon ab­raten, sehen wir sie nicht als „le­bens­be­droh­lich“, son­dern als Ver­such, eines ver­ant­wor­tungs­vollen mi­li­tanten Han­delns, vor der schwie­rigen Si­tua­tion eines po­li­zei­li­chen An­griffs. Stra­ßen­blo­ckaden von der Sitz­blo­ckade bis zur Bar­ri­kade sind und bleiben ein wich­tiges Ele­ment im Spek­trum linker Pro­test­formen. Un­ab­hängig davon, ob es den Stadt­ver­wal­tungen und Po­li­tiker_innen oder denen, die von diesen Ver­hält­nissen pro­fi­tieren, passt oder nicht.

Diese Kultur des Wi­der­standes und Pro­testes von Bür­ger­in­itia­tiven und Ju­gend­li­chen exis­tiert nicht nur in Wyhl und Mut­langen, in Wackers­dorf und im Wend­land, bei der Ver­tei­di­gung der Roten Flora in Ham­burg, der Liebig 14 in Berlin, der au­to­nomen Zen­tren in Köln oder Er­furt, son­dern hat auch in Frei­burg im Breisgau eine lange Ge­schichte.

Es ist schon mehr als Ironie der Ge­schichte, wenn ein grüner Bür­ger­meister, dessen Partei einst selbst in der Tra­di­ti­ons­linie sol­cher Aus­ein­an­der­set­zungen stand, nun in Ma­nier eines Fil­binger Di­stan­zie­rungen ein­for­dert. Wenn es um die Ver­wen­dung von Mo­lo­tov­cock­tails geht, sollte er viel­leicht besser beim ehe­ma­ligen grünen Spit­zen­kan­di­daten und Au­ßen­mi­nister Josef Fi­scher nach­fragen, als über die Presse ver­lo­gene Er­klä­rungen ab­zu­geben und Kro­ko­dilstränen zu heu­cheln.

Was dachte die Stadt ei­gent­lich, bevor sie meh­rere 100 Be­amte in Gang setzte? Eine Räu­mung ist kein Kin­der­ge­burtstag! Es ist die ge­walt­same Durch­set­zung des staat­li­chen Ge­walt­mo­no­pols, bei der schwere Ver­let­zungen von Be­wohner_innen und so­li­da­ri­schen Men­schen durch po­li­zei­liche Über­griffe in Kauf ge­nommen werden. Bar­ri­kaden sind ein Teil des Selbst­schutzes, um an­grei­fende Po­li­zei­ein­heiten zu ver­lang­samen und ein un­miss­ver­ständ­li­ches po­li­ti­sches Si­gnal des Pro­testes. Sie sind des­halb not­wendig und richtig und nicht falsch.

Die Frage ist doch nicht, dass sich die Men­schen wehren, son­dern wes­halb. Auch über Frei­burg liegt keine Kä­se­glocke einer Fried­fer­tig­keit, die Füg­sam­keit und An­pas­sung meint. Überall in der Welt wehren sich der­zeit die Men­schen gegen ka­pi­ta­lis­ti­sche Stadt­ent­wick­lung, gegen stei­gende Mieten, gegen Ver­drän­gung und Ver­trei­bung in den Städten. In Athen, Bar­ce­lona oder Tel Aviv finden Mas­sen­de­mons­tra­tionen und Kra­walle gegen die glo­bale Hoff­nungs­lo­sig­keit der Öko­nomie als zen­trale Vor­gabe der Stadt­ent­wick­lung statt.

Was ge­schieht ei­gent­lich in den Köpfen der Ver­ant­wort­li­chen in den Stadt­ver­wal­tungen, wenn mit kühlem Schul­ter­zu­cken und Ver­weis auf die Pri­vat­wirt­schaft, Zen­tren von Ju­gend­li­chen wie das Ung­doms­huset in Ko­pen­hagen oder Wohn­raum wie bei Kom­mando Rhino zum Ab­schuss frei­ge­geben werden? Na­tür­lich knallt es, wenn in Frei­burg ge­räumt wird. Und na­tür­lich ist dies kein ro­man­ti­sches Aben­teu­erer­lebnis, son­dern ein Im­plo­dieren der struk­tu­rellen Ge­walt, welche uns um­gibt. Nicht von Pro­testen auf der Straße gilt es sich zu di­stan­zieren, son­dern von dieser Ge­walt, die uns um­gibt. Es gilt, sich von denen zu di­stan­zieren, die uns diese Si­tua­tion als Nor­ma­lität ver­kaufen wollen und für stand­ort­po­li­ti­sche und pri­vat­wirt­schaft­liche In­ter­essen die Stadt zum Ort der Re­pres­sion er­klären. Der Wi­der­stand auf der Straße ist und wird immer ein Teil von eman­zi­pa­to­ri­schen Be­we­gungen sein.

Es gibt ebenso keinen Grund sich fügsam zu ver­halten und die ver­meit­li­chen Sach­zwänge der Po­litik als al­ter­na­tiv­lose Ge­setz­mä­ßig­keit zu ak­zep­tieren. Die bren­nenden Bar­ri­kaden im Vauban waren kein de­struk­tiver Mo­ment, son­dern in einer ganzen Ab­folge von men­schen­ver­ach­tenen bü­ro­kra­ti­schen Ent­schei­dungen, ein Le­bens­zei­chen, dass es die Men­schen in dieser Stadt noch gibt. Sie sind nicht nur die Füll­masse für Ein­kaufs­zen­tren, Fuß­gän­ger­zonen und Im­mo­bi­li­en­blasen, sie sind nicht planbar und ihre Be­dürf­nisse nicht sta­pelbar in Ver­ord­nungen und Ak­ten­zei­chen. Dass Armut und so­ziale Un­ge­rech­tig­keit dabei auch unter öko­lo­gisch Vor­zei­chen re­pro­du­ziert werden, zeigt die Wohn­raum­si­tua­tion in Frei­burg. Hier wird im Lo­kalen deut­lich, was im glo­balen Maß­stab gilt: Auch grüner Ka­pi­ta­lismus schafft so­ziale Un­ge­rech­tig­keit und be­för­dert die Ver­drän­gung är­merer und so­zial aus­ge­grenzter Be­völ­ke­rungs­gruppen durch Gen­tri­fi­zie­rung!

Wir sind so­li­da­risch mit den Be­wohner_innen des Wa­gen­platzes Kom­mando Rhino und allen, die auf der Straße waren, um die ge­walt­same Räu­mung zu ver­hin­dern. Es gibt keine bösen Au­to­nomen oder guten Wa­gen­be­wohner_innen oder stadt­ent­wick­lungs­po­li­ti­schen Ini­tia­tiven. Es gibt eine Be­we­gung, eine Auf­bruchs­s­tim­mung, nicht nur in Frei­burg, auch in an­deren Städten wie Kon­stanz, Frank­furt, Köln, Berlin, Er­furt oder Ham­burg. Das Ei­nende dieser Be­we­gung sind nicht die po­li­ti­schen Ideo­lo­gien oder Ak­ti­ons­formen, son­dern die Kritik an einer Stadt, die nicht Aus­druck eines Ge­mein­samen ist, son­dern von markt­ori­en­tierten Stand­ort­fragen. Die nicht ge­sell­schaft­li­cher, son­dern pri­vat­wirt­schaft­li­cher Be­sitz ist, die nicht ver­ge­sell­schaftet wird im In­ter­esse aller, son­dern im In­ter­esse des Ka­pi­tals per Ge­walt­mo­nopol kon­trol­liert wird.

Die Frage um Recht auf Stadt ist zu einer Frage um Ge­sell­schaft und Teil­habe ge­worden. Der täg­liche Gang durchs Fa­briktor und manchmal auch dessen Blo­ckade, die Or­ga­ni­sie­rung in­ner­halb der Fa­briken sind heute für immer mehr Men­schen in den Me­tro­po­len­re­gionen der Welt zu einem Ges­tern ge­worden. In Zeiten im­ma­te­ri­eller Ar­beit und pre­kärer Le­bens- und Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nisse or­ga­ni­sieren sie sich zu­se­hends in­ner­halb der Städte. Die Stadt ist un­sere Fa­brik und die Pro­duk­ti­ons­mittel in dieser Fa­brik sind wir selbst. Wir selbst und un­sere Um­ge­bung sind dabei durch­zogen von Brü­chen und Über­schüssen, von Wi­der­sprü­chen und Hier­ar­chien, die es immer wieder sichtbar zu ma­chen gilt, um sie zum Ge­gen­stand einer eman­zi­pa­to­ri­schen Kritik und Praxis zu ma­chen. Wenn wir uns dieses Ter­rain an­eignen, dann nicht aus Ar­beitsethos, son­dern um der Vor­stel­lung des pri­vaten oder staat­li­chen Ei­gen­tums, die des Ge­mein­samen ent­ge­gen­zu­setzen. Die Stadt ge­hört nicht den Un­ter­nehmer_innen, den Po­li­tiker_innen, Stadt­teil­ma­nager_innen und  Woh­nungs­bau­ge­sell­schaften oder jenen, die das Geld haben, um sie sich leisten zu können. Die Stadt ge­hört allen!

Die Stadt des aus­ge­henden 20. Jahr­hun­derts ist an ihr Ende ge­kommen. Von nichts an­derem er­zählen die ak­tu­ellen Pro­teste in aller Welt, die Riots in den Straß­burger Vor­städten, die Ju­gend­un­ruhen in London und von nichts an­derem er­zählen auch die leise vor sich hin­bren­nenden Bar­ri­kaden auf Vauban. Auch grüner Ka­pi­ta­lismus kann brennen und das ist gut so. Denn der Markt kennt keine Ant­wort aus der Krise. Die Men­schen können sich aber or­ga­ni­sieren und die Stadt, die sie um­gibt, selbst ge­stalten. Durch An­eig­nung und Kritik sich auf der Straße zeigen, durch Ver­net­zungen wie Recht auf Stadt, Mie­te­rinnen_ini­tia­tiven, au­to­nome Zen­tren oder eben die Be­set­zung von Wa­gen­plätzen.

Durch So­li­da­rität, nicht nur mit sich selbst und den ei­genen Le­bens­be­din­gungen und Mi­lieus, son­dern mit allen, die auf den Straßen und in den Städten ver­trieben werden, weil sie zu arm sind oder il­le­ga­li­siert werden oder ein­fach, weil sie sich gegen diese Zu­stände wehren.

Wir un­ter­stützen die Ak­ti­vist_innen in Frei­burg in ihren Mo­bi­li­sie­rungen gegen die ak­tu­elle Re­pres­sion, und rufen auch an­dere Städte und Pro­jekte zur Un­ter­stüt­zung der an­ge­grif­fenen Frei­burger Struk­turen auf. Denn es geht nicht nur um Kom­mando Rhino, die Re­pres­sion gegen au­to­nome Gruppen und die Raz­zien in der be­setzten Gar­ten­straße oder dem KTS in Frei­burg, son­dern um die ganze ver­kackte Scheiße, welche uns überall be­gegnet, wes­halb auch wir ihr überall be­gegnen können.

Gegen Aus­gren­zung, Ver­trei­bung und Gen­tri­fi­zie­rung – die Stadt ge­hört allen!
So­li­da­rität mit be­setzen Häu­sern und Wa­gen­plätzen, Kom­mando Rhino und allen, die sich für deren Ver­viel­fäl­ti­gung ein­setzen!

Au­to­nome aus dem Um­feld der Roten Flora | flo­ra­bleibt.blogs­port.de


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: