Saarlouis: 200 Menschen auf Demonstration in Gedenken an Samuel Yeboah

Knapp 200 Men­schen de­mons­trierten am 24. Sep­tember in Saar­louis gegen Ras­sismus und deut­schen Na­tio­na­lismus

Bei son­nigem Wetter liefen etwa 200 Teil­nehmer_innen in einer drei­stün­digen De­mons­tra­tion durch die In­nen­stadt von Saar­louis. An­lass war der 20. To­destag von Sa­muel Ye­boah, der 1991 bei einem ras­sis­ti­schen Brand­an­schlag in einem Flücht­lings­heim in Saar­louis-Frau­lau­tern ums Leben kam.

Dar­über hinaus wurden wäh­rend der De­mons­tra­tion, durch Re­de­bei­träge und Flyer auf wei­tere Themen auf­merksam ge­macht und in­for­miert. Dazu ge­hörten unter an­derem der Um­gang der Stadt Saar­louis mit der The­matik, die Si­tua­tion von Flücht­lingen im saar­län­di­schen Flücht­lings­lager Le­bach, oder den Um­gang mit Flücht­lingen sei­tens Deutsch­land und der EU. Im Vor­feld der De­mons­tra­tion und am selben Abend kam es zu ein­zelnen Über­griffen von An­ge­hö­rigen der saar­län­di­schen Ka­me­rad­schaftss­zene auf Teil­nehmer_innen der De­mons­tra­tion.

– Aufruf
– Be­richt der De­mons­tra­tion
– Pres­se­mit­tei­lung der An­tifa Saar / Pro­jekt AK zur De­mons­tra­tion
– Pres­se­mit­tei­lung der An­tifa Saar / Pro­jekt AK zu den Nazi-Über­griffen
– Re­de­bei­trag von an­ti­na­tio­nale.org
– Bilder

Aufruf zur De­mons­tra­tion:

Am 19. Sep­tember 1991 fiel Sa­muel Kofi Ye­boah in Saar­louis einem ras­sis­ti­schen Brand­an­schlag zum Opfer. Er ist eines der ersten Opfer ras­sis­ti­scher Ge­walt in West­deutsch­land nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung. An­läss­lich seines na­henden 20. To­des­tags wollen wir mit einer Ak­ti­ons­reihe an Sa­muel Ye­boah, dessen Mörder_innen nie ge­fasst wurden, würdig erin­nern und den ras­sis­ti­schen Alltag in der Bun­des­re­pu­blik und Eu­ropa the­ma­ti­sieren.

Wir knüpfen hiermit an Ak­ti­vi­täten an­läss­lich des 5., 10. und 15. To­des­tags an. Am 10. To­destag hielten meh­rere an­ti­ras­sis­ti­sche Gruppen eine Ge­denk­ver­an­stal­tung ab, in deren Ver­lauf am Rat­haus in Saar­louis eine schwere Stein­platte zum Ge­denken an Ye­boah an­ge­bracht wurde. Die Stadt fühlte sich durch das Ge­denken of­fenbar ge­stört und pro­zes­sierte so­wohl auf straf- als auch auf zi­vil­recht­li­chem Weg gegen die An­brin­gung der Ge­denk­tafel und bekam vor Ge­richt Scha­denser­satz zu­ge­spro­chen.

Am 15. To­destag setzte sich der „Runde Tisch für ein öf­fent­li­ches Ge­denken an Sa­muel Ye­boah“ für die Um­be­nen­nung der um­strit­tenen Lettow-Vor­beck-Straße in Saar­louis in Sa­muel-Ye­boah-Straße ein und ver­suchte, eine „wür­dige Form des öf­fent­li­chen Ge­den­kens“, wie in Mölln und So­lingen zu eta­blieren.

Wir wollen mit un­serer Ak­ti­ons­reihe an diese Formen des Ge­den­kens an­knüpfen. Im Rahmen un­serer Ak­ti­ons­reihe rufen wir am 24. Sep­tember 2011 zu einer De­mons­tra­tion auf, in Erin­ne­rung an Sa­muel Ye­boah und für einen pro­gres­siven An­ti­ras­sismus, der nicht nur den Ras­sismus in der Ge­sell­schaft, son­dern auch die ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nisse kri­ti­siert, die ihn re­pro­du­zieren.

21 Jahre wie­der­ver­ei­nigtes Deutsch­land – 21 Jahre wie­der­ver­ei­nigter Ras­sismus

Der Mord an Sa­muel Ye­boah lässt sich für uns nicht von der spe­zi­fi­schen Aus­for­mung des deut­schen Na­tio­na­lismus zu Be­ginn der 90er Jahre trennen, denn der töd­liche Brand­an­schlag in Saar­louis blieb leider kein Ein­zel­fall, son­dern bil­dete den trau­rigen Auf­takt für eine Serie von ras­sis­ti­schen Über­griffen auf Men­schen im wie­der­ver­ei­nigten Deutsch­land.

Nachdem die Pa­rolen bei den Mon­tags­de­mons­tra­tionen von „Wir sind das Volk“ zu „Wir sind ein Volk“ durch eine völ­ki­sche Kom­po­nente ver­schärft und damit die le­gi­time For­de­rung nach po­li­ti­scher Mit­be­stim­mung zur na­tio­na­lis­ti­schen Mas­sen­mo­bi­li­sie­rung wurde, hätte man die Kon­se­quenzen erahnen können.

Denn egal, ob bei den an­tina­po­leo­ni­schen Auf­ständen oder der ge­schei­terten bür­ger­li­chen Re­vo­lu­tion von 18481, wenn sich in Deutsch­land die Na­tion ar­ti­ku­liert, dann en­dete dies bisher noch immer mit bren­nenden Häu­sern. Da bil­dete auch die deut­sche Wie­der­ver­ei­ni­gung keine Aus­nahme, egal wie li­beral und pro­gressiv sie jähr­lich am Tag der deut­schen Ein­heit dar­ge­stellt wird.

Als nun zu­sam­men­ge­wachsen war, was zu­sam­men­ge­hörte, be­gann das deut­sche Volk mit dem An­zünden von Asyl­be­werber_in­nen­heimen. Die Aus­rede, dass le­dig­lich ei­nige ge­sell­schaft­lich mar­gi­na­li­sierte Neo­nazis für die po­gro­mar­tigen Über­griffe ver­ant­wort­lich seien, ver­tuscht le­dig­lich die ein­träch­tige Ge­mein­schaft in der sich diese Taten voll­zogen. Denn neben den Neo­nazis waren auch die het­zende Presse, die Bei­fall klat­schenden Nachbar_innen, die „nor­male“ Be­völ­ke­rung, die nach ei­genem Er­messen im Prinzip gar nichts gegen Aus­länder haben, und na­tür­lich die Bun­des­re­gie­rung, die im Nach­hinein dem Willen des Mobs mit einer fak­ti­schen Ab­schaf­fung des Asyl­rechts ent­ge­genkam, an den Po­gromen nicht un­be­tei­ligt.

Dabei ist es ge­rade diese ein­träch­tige Ge­mein­schaft im Kampf gegen die Volks­fremden, jen­seits der sons­tigen Ant­ago­nismen bür­ger­li­cher Ge­sell­schaften, die für die deut­sche Na­tion cha­rak­te­ris­tisch ist. Es spielt keine Rolle, ob man Re­dak­teur_in bei der FAZ oder Lang­zeit­ar­beits­lose_r ist, es gibt in sol­chen Mo­menten le­dig­lich die Ver­schmel­zung der Deut­schen gegen die als „fremd“ ima­gi­nierten.

Zwar findet sich in allen Formen ka­pi­ta­lis­ti­scher Ver­ge­sell­schaf­tung Ras­sismus, al­ler­dings ist es un­serer Mei­nung nach trotzdem wichtig die deut­sche Spe­zifik zu the­ma­ti­sieren. In Deutsch­land ist der Par­ti­ku­la­rismus tra­di­tio­nell nicht oder nur wenig aus­ge­prägt. Daraus speist sich der Vor­wurf, dass sich die Deut­schen nie tat­säch­lich von der Ge­mein­schaft zur Ge­sell­schaft eman­zi­piert haben. Hier­zu­lande gibt es le­dig­lich ver­schie­dene Formen von der Sorge um das All­ge­mein­wohl und es exis­tiert kein ener­gi­sches Ein­treten für par­ti­ku­lare In­ter­essen. Dieser Zu­sam­men­halt über Aus­beu­tungs- und Herr­schafts­ver­hält­nisse hinweg lässt sich je­doch nur durch den mas­sen­haften Aus­schluss von Men­schen aus dieser idea­li­sierten Ge­mein­schaft rea­li­sieren. Die Not­wen­dig­keit der Aus­gren­zung zur Wah­rung der Ge­mein­schaft über Un­gleich­heiten hinweg ist der Be­völ­ke­rung oft nicht be­wusst, was je­doch an der Wir­kungs­mäch­tig­keit dieses all­ge­gen­wär­tigen Aus­schlusses von „Volks­fein­den“ oder „Volks­frem­den“ nichts zu än­dern vermag.

Die man­gelnde Eman­zi­pa­tion der Deut­schen von der stumpfen Ge­mein­schaft zur Ge­sell­schaft lässt sich le­dig­lich damit er­klären, dass „die Lands­leute un­mög­lich die be­glückende Erin­ne­rung an die to­tale Ver­schmel­zung von Ge­sell­schaft und Staat abtun können, die ihnen der Na­zi­fa­schismus be­scherte.“2

Dass „jene Iden­ti­fi­ka­tionen und der kol­lek­tive Nar­zissmus gar nicht zer­stört wurden, son­dern fort­be­ste­hen“3, war zu­min­dest ei­nigen be­wusst. So fand 1990 in Frank­furt am Main eine De­mons­tra­tion unter dem Motto „Nie wieder Deutsch­land“ mit 20.000 Teil­neh­mern_innen statt, die vor einem vierten Reich warnten. Zwar be­wahr­hei­tete sich die Be­fürch­tung eines 4. Reichs vor­erst nicht, al­ler­dings wäre es falsch daraus zu schließen, dass in Deutsch­land die Zi­vi­li­sa­tion An­klang ge­funden hätte. Die bren­nenden Ge­bäude in Hoy­ers­werda, Ro­stock-Lich­ten­hagen, So­lingen, Mölln, San­ger­hausen und Saar­louis be­wiesen das Ge­gen­teil. Dass dieser ras­sis­ti­sche Wahn, der unter an­derem Sa­muel Ye­boah das Leben kos­tete, kei­nes­wegs nur von ein paar Dorf-Nazis voll­zogen wurde, be­legen zahl­reiche Zi­tate.

Wenn der Ber­liner In­nen­se­nator Dieter He­ckel­mann (CDU) be­haupten kann, in Ro­stock-Lich­ten­hagen habe sich nicht Ras­sismus ge­äu­ßert, „son­dern der vol­lauf be­rech­tigte Unmut über den Mas­sen­miss­brauch des Asyl­rechts“4 ohne dafür aus dem Amt ge­jagt zu werden, spricht dies Bände hin­sicht­lich der Rea­lität des frisch ge­einten und freien Deutsch­lands. Dabei muss man dem In­nen­se­nator zu­ge­stehen, dass er durchaus er­kannt hat, dass po­li­ti­scher Unmut in Deutsch­land sich darin äu­ßert, Häuser in denen sich Men­schen be­finden nie­der­zu­brennen.
Helmut Schmidt log die Po­grome gleich in be­rech­tigte Not­wehr um und fa­selte davon, dass in Deutsch­land bei zu viel Ar­beits­lo­sig­keit die Ge­sell­schaft „ent­ar­tet“5.

Seit den 90er Jahren hat sich an dieser Si­tua­tion nun viel ge­än­dert, aber wenig ver­bes­sert. Als unter Rot-Grün zum ersten Mal die 68er be­gannen, die Po­litik mit­zu­ge­stalten, for­mierte sich der „Auf­stand der An­stän­di­gen“ gegen Neo­nazis. Als an­stän­diger Deut­scher be­gann man nun gegen Ras­sismus und Nazis zu sein, die man damit zum Rand­pro­blem ver­klärte. Man be­hauptet nach wie vor eine Mehr­heits­ge­sell­schaft, die so­ge­nannte „Mitte“, in der es keinen Ras­sismus und an­dere Ver­satz­stücke na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ideo­logie gäbe und leugnet die tiefe Sehn­sucht der Deut­schen nach dem Ver­schmelzen zur Ge­mein­schaft gegen die Feinde des Volkes, ob nun die zer­set­zende USA, Is­rael oder wie in den 90ern gegen Mi­grant_innen. Tat­säch­li­cher An­ti­fa­schismus leistet je­doch mehr als die Be­kämp­fung von Nazi-Trot­teln, son­dern auch die scho­nungs­lose The­ma­ti­sie­rung der NS-Kon­ti­nui­täten in der deut­schen „Mitte“, auch wenn sie sich bei „Bock­wurst fressen gegen Rechts“ ver­meint­lich auf­ge­klärt und fort­schritt­lich zeigt. Solche Ver­an­stal­tungen täu­schen le­dig­lich dar­über hinweg, dass Hetz­jagden auf Mi­grant_innen zur deut­schen Nor­ma­lität ge­hören.
Phä­no­mene wie Sar­razin zeigen, dass ras­sis­ti­sche Vor­stel­lungen je­der­zeit auch in der ver­meint­lich auf­ge­klärten „Mitte“ der Ge­sell­schaft Zu­spruch finden können.

Wer­te­ge­mein­schaft Eu­ropa

Der Ras­sismus for­dert nicht nur Opfer, wenn er sich in Form eines Volks­mobs ent­lädt. Tag­täg­lich for­dern Ab­schie­bungen und Grenz­ausbau Men­schen­leben. Spä­tes­tens seit 2004, als mit der Ver­ord­nung (EG) 2007/2004 des Rates der Eu­ro­päi­schen Union die „Eu­ro­päi­sche Agentur für die ope­ra­tive Zu­sam­men­ar­beit an den Au­ßen­gren­zen“ (kurz: FRONTEX) ins Leben ge­rufen wurde, tritt die EU ver­stärkt als Ak­teurin beim so­ge­nannten „Mi­gra­ti­ons­ma­na­ge­ment“ in Er­schei­nung. Aus Ver­sehen be­zeich­nete An­gela Merkel dieses Mi­gra­ti­ons­ma­na­ge­ment einmal völlig zu­tref­fend als „Flücht­lings­be­kämp­fung“. Diese Flücht­lings­be­kämp­fung findet zur Zeit haupt­säch­lich im Mit­tel­meer statt. Laut „In­ter­na­tional Centre on Mi­gra­tion Po­licy De­ve­lop­ment“ starben im Mit­tel­meer in den letzten Jahren zehn­tau­sende Men­schen bei dem ver­zwei­felten Ver­such vor Armut und Hunger zu fliehen. FRONTEX ortet Flücht­lings­boote und über­gibt deren Po­si­tion an die ent­spre­chenden süd­eu­ro­päi­schen Staaten, die dann oft­mals ver­su­chen die be­helfs­mäßig zu­sam­men­ge­bauten und meist über­füllten Boote ab­zu­drängen.

Dieses Ab­drängen endet nicht selten töd­lich für die Flücht­linge. Das ge­walt­same Vor­gehen gegen Flücht­linge nimmt ihnen die Mög­lich­keit ge­ge­be­nen­falls einen Asy­lan­trag zu stellen. Ein Recht, das ihnen nach der Genfer Flücht­lings­kon­ven­tion zu­steht, diese An­sicht teilt unter an­derem der „Hohe Flücht­lings­kom­missar der Ver­einten Na­tio­nen“ (UNHCR).

Ein er­schre­ckendes Bei­spiel für das „Mi­gra­ti­ons­ma­na­ge­ment“ der Eu­ro­päi­schen Union ist der Um­gang mit den Flücht­lingen aus Tu­ne­sien, die zu Be­ginn dieses Jahres nach Ita­lien flohen. Die un­ge­fähre Zahl der Flücht­linge be­trägt 30.000, eine An­zahl, die für ein Land wie Ita­lien keine nen­nens­werte Her­aus­for­de­rung dar­stellt und schon gar nicht für die EU. Den­noch rief Ita­lien, bei­nahe pa­nisch, nach So­li­da­rität der an­deren Staaten in der EU und be­gann Tu­ne­sier_innen mit Visa aus­zu­statten und ihnen somit die Wei­ter­reise in die EU zu er­mög­li­chen. Für Deutsch­land und Frank­reich eine Hor­ror­vi­sion, denn bei Flücht­lingen hört be­kannt­lich in der EU jeg­liche Form der So­li­da­rität auf und so wurde ein Jahr nachdem man das 25-jäh­rige Be­stehen des Schengen-Ab­kom­mens be­geis­tert ab­fei­erte mit dem Aus­setzen des­sel­bigen ge­droht. See­hofer gab seinen Zu­hörer_innen beim po­li­ti­schen Ascher­mitt­woch genau das, was sie hören wollten und kün­digte an, jede Zu­wan­de­rung in deut­sche So­zi­al­sys­teme „bis zur letzten Pa­trone“ zu be­kämp­fen6.

Dabei stellt die Em­pö­rung Deutsch­lands und Frank­reichs bei der Vor­stel­lung es könnten über Ita­lien ei­nige Flücht­linge ein­reisen keinen Pa­ra­dig­men­wechsel dar. Die Ver­ord­nung (EG) Nr. 343/2003 des eu­ro­päi­schen Rates vom 18. Fe­bruar 2003 (auch Du­blin II ge­nannt) setzte be­reits ein­sei­tige In­ter­essen Deutsch­lands und Frank­reichs durch, da laut Du­blin II jeder Flücht­ling seinen Asy­lan­trag in dem Land stellen muss, in dem, er als erstes die EU be­tritt. Für Deutsch­land mit seiner ex­po­nierten Lage im Herzen von Eu­ropa na­tür­lich sehr an­ge­nehm, für Länder wie Ita­lien är­ger­lich, denn sie müssen für die Kosten für die Asyl­ver­fahren al­leine auf­kommen und haben somit ein ver­stärktes In­ter­esse daran, Flücht­linge be­reits im Mit­tel­meer ab­zu­drängen und sich somit Asyl­ver­fahren sparen zu können.

Doch auch wer es trotz Mi­litär und ab­surder Ge­setz­ge­bung tat­säch­lich schaffen sollte in Ita­lien das Recht auf Asyl zu­ge­spro­chen zu be­kommen, lebt in elenden Ver­hält­nissen. „Flücht­linge – so­wohl asyl­su­chende, als auch solche, die einen Schutz­status be­reits er­halten haben, leben in Ita­lien größ­ten­teils im ab­so­luten Elend und in Ob­dach­lo­sig­keit“7 (Pro Asyl). Al­ler­dings ist auch diese kläg­liche „So­li­da­ri­tät“, die Flücht­linge in Ita­lien er­fahren of­fenbar zu viel und so kün­digte der ita­lie­ni­sche Trans­port­mi­nister fol­gendes an: „Dieses Pro­blem könnte so un­glaub­lich groß werden, dass wir uns fragen müssen, ob wir Waffen ein­setzen sol­len“.

Wer über Ras­sismus in der EU reden will, der sieht sich neben der men­schen­ver­ach­tenden Flücht­lings­be­kämp­fung mit einem un­säg­li­chen Um­gang mit Roma kon­fron­tiert.
Nicht nur in Un­garn, wo Roma auf­grund pa­ra­mi­li­tä­ri­scher Schlä­ger­trupps um ihr Leben fürchten müssen, ist die Lage ka­ta­stro­phal. Im ver­gan­genen Jahr ließ die Bun­des­re­pu­blik alle hu­ma­ni­tären Hem­mungen fallen und schob Kranke, Alte, Kinder u.s.w ohne Rück­sicht auf Ver­luste in den Ko­sovo ab. Viele davon lebten be­reits zwi­schen zehn und zwanzig Jahren in Deutsch­land, spre­chen kein Al­ba­nisch und haben daher keine Chance auf eine si­chere Zu­kunft im Ko­sovo. Wei­terhin be­richtet Pro Asyl von einem zu­neh­menden Ras­sismus ge­gen­über Roma im Ko­sovo: „Nach Be­richten von Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen, des UN-Flücht­lings­hoch­kom­missa­riats (UNHCR) sowie des Men­schen­rechts­kom­missars des Eu­ro­pa­rates, Thomas Hamm­ar­berg, sind An­ge­hö­rige der Roma(…) im Ko­sovo wei­terhin be­droht. Be­reits ab­ge­scho­bene Roma be­richten über Ge­walt und ras­sis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung von Seiten al­ba­ni­scher Po­li­zei­kräfte.“

Aber was dies an­be­langt be­findet sich Deutsch­land mit Frank­reich in bester Ge­sell­schaft, im Juni letzten Jahres trat Sar­kozy un­ver­hohlen eine Ak­ti­ons­reihe gegen »Zi­geuner« los und vers­tieß damit, dass er Bürger_innen aus Staaten der EU aus­weisen ließ, offen gegen die Grund­prin­zi­pien des Schengen-Ab­kom­mens. Die an­fäng­liche Em­pö­rung wurde von den fran­zö­si­schen Kon­ser­va­tiven in Frank­reich mit na­tio­na­lis­ti­schem Ge­fasel von Sou­ve­rä­nität ge­kon­tert und die EU gab ihren Wi­der­stand nach nicht allzu langer Zeit auf.

Der ras­sis­ti­sche und men­schen­ver­ach­tende Um­gang mit Flücht­lingen in­ner­halb der EU lässt sich auch im Saar­land be­ob­achten. So leben zur Zeit in Le­bach 800 Men­schen unter un­wür­digen Be­din­gungen in einem Flücht­lings­lager, in dem es ihnen un­mög­lich ist ein ei­ni­ger­maßen selbst­be­stimmtes Leben zu führen.

Für eine Kritik des Ras­sismus ist also eine Kritik der Eu­ro­päi­schen Union und ihrer In­sti­tu­tionen un­ab­dingbar.

What so­lu­tion?

Wenn wir dazu auf­rufen am 24. Sep­tember für ein wür­diges Ge­denken an Sa­muel Ye­boah und die Kritik des ras­sis­ti­schen Nor­mal­zu­stands auf die Straßen zu gehen, dann lässt sich dies für uns nicht von den ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nissen trennen, die ihn tag­täg­lich re­pro­du­zieren. Zwar ist es ver­kürzt den Ras­sismus als Ne­ben­wi­der­spruch der be­ste­henden Ver­hält­nisse zu re­la­ti­vieren, denn Ras­sismus ist auch in einer grund­sätz­lich an­deren Ge­sell­schaft denkbar, aber ihn iso­liert von der Ge­sell­schaft zu be­trachten wäre blind.

Die per­ma­nente De­gra­die­rung von In­di­vi­duen zu wa­ren­pro­du­zie­renden und -tau­schenden Sub­jekten und die damit ein­her­ge­hende Zu­rich­tung führt ten­den­ziell zu einer Cha­rak­ter­struktur, die an­fällig für ras­sis­ti­sche Ideo­logie ist. Die Träger_innen jener Cha­rak­ter­struktur sind un­fähig kom­plexe so­ziale Pro­zesse ein­zu­schätzen und zu ihrer Er­klä­rung greifen sie auf so­ziale Tickets zu­rück, die von ihrem Um­feld und der Kul­tu­r­in­dus­trie zur Ver­fü­gung ge­stellt wer­den8.

Bei­spiel­haft lässt sich dies an dem, für sp­ät­ka­pi­ta­lis­ti­sche Ge­sell­schaften cha­rak­te­ris­ti­schen, An­wachsen der „in­dus­tri­ellen Re­ser­ve­ar­mee“ (Marx) ver­deut­li­chen. Durch den dem Ka­pi­ta­lismus in­hä­renten Wi­der­spruch, dass auf der einen Seite Lohn­ar­beit in­ten­si­viert wird und auf der an­deren Seite mehr und mehr Men­schen im Ver­wer­tungs­pro­zess für über­flüssig er­klärt werden, ent­steht eine per­ma­nente Masse von Ar­beits­losen. Wird dieser Me­cha­nismus nicht durch­schaut, son­dern die in­dus­tri­elle Re­ser­ve­armee bio­lo­gi­siert, so ent­steht der klas­si­sche Ras­sismus, der gegen ar­beits­lose Mi­grant_innen hetzt.

Die zu­sätz­liche Ghet­toi­sie­rung durch Gen­tri­fi­zie­rung, eben­falls cha­rak­te­ris­tisch für Städ­te­ent­wick­lung im Ka­pi­ta­lismus, bei der ge­rade jene „in­dus­tri­elle Re­ser­ve­ar­mee“ an den Rand der Stadt ge­drängt wird, führt völlig lo­gisch zum Ent­stehen von hohen Kri­mi­na­li­täts­raten in spe­zi­fi­schen Stadt­teilen. Auch dieses Phä­nomen wird aber oft bio­lo­gi­siert und Mi­grant_innen wird die Schuld für hohe Kri­mi­na­lität und die Ghet­toi­sie­rung be­stimmter Stadt­teile ge­geben.

Der bür­ger­liche Staat ver­sucht solche Wi­der­sprüche zu glätten, mit er­höhter Bul­len­prä­senz in be­stimmten Stadt­teilen, mit der Mi­li­ta­ri­sie­rung des Mi­gra­ti­ons­ma­na­ge­ments um die öko­no­misch Über­flüs­sigen von Eu­ropa fern­zu­halten. Diese Re­ak­tion ist Ein­ge­ständnis der Un­fä­hig­keit des Staates sol­cher struk­tu­reller Pro­bleme Herr zu werden. Nur die Ab­schaf­fung einer Wirt­schafts- und Ge­sell­schafts­form, die zu­neh­mend Men­schen für über­flüssig er­klärt, kann den in­sti­tu­tio­nellen und ge­sell­schaft­li­chen Ras­sismus be­kämpfen. Zwar ist auch au­ßer­halb einer ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­sell­schafts­ord­nung Ras­sismus denkbar und an­ti­ras­sis­ti­sches En­ga­ge­ment in­ner­halb dieser Ge­sell­schaft nicht über­flüssig, aber ohne Kritik an den Struk­turen, die ihn re­pro­du­zieren, bleibt die Kritik doch per­spek­tivlos. Wir wollen nicht von Mul­ti­kul­tu­ra­lismus und In­te­gra­tion reden, nicht von Kita-Plätzen oder Ge­samt­schulen, son­dern die Me­cha­nismen, die tag­täg­lich Aus­gren­zung pro­du­zieren, scho­nungslos of­fen­legen und ab­schaffen!

Nur die Auf­he­bung der ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­sell­schaft zu­gunsten der kom­mu­nis­ti­schen kann diesem men­schen­feind­li­chen Zu­stand sein ge­rechtes Ende setzen.
Kommt am 24. Sep­tember nach Saar­louis!
Fran­zö­si­sche Straße (Pa­villon) – 14.00 Uhr

Keinen Kom­pro­miss mit der Bar­barei!
Gegen Ras­sismus, An­ti­se­mi­tismus und deut­schen Na­tio­na­lismus!

Un­ter­stützer_innen:

an­ti­na­tio­nale.org, Bündnis Buntes Hom­burg, An­tifa Eus­kir­chen/Eifel, An­tifa Ko­blenz

Be­richt der De­mons­tra­tion

In Ge­denken an den vor 20 Jahren durch einen ras­sis­ti­schen Brand­an­schlag er­mor­deten Flücht­ling Sa­muel Ye­boah fand am ver­gan­genen Samstag eine De­mons­tra­tion gegen Ras­sismus und deut­schen Na­tio­na­lismus in der Saar­louiser Alt­stadt statt. Die rund 200 Teil­nehmer_innen machten fast drei Stunden auf das nach wie vor feh­lende öf­fent­liche Ge­denken an die Tat und den ge­sell­schaft­li­chen Kon­text, in dem diese ent­stehen konnte, auf­merksam.

Am ver­gan­genen Samstag ver­sam­melten sich rund 200 Per­sonen gegen 14 Uhr in der Fuß­gän­ger­zone der „heim­li­chen Hautpstadt“ des Saar­landes, um an­läss­lich des 20. To­des­tages von Sa­muel Ye­boah für ein ak­tives Ge­denken an den Flücht­ling aus Ghana und gegen Ras­sismus und deut­schen Na­tio­na­lismus zu de­mons­trieren. Die Teil­nehmer_innen kamen vor allem aus dem Saar­land, aber auch aus dem an­gren­zenden Rhein­land Pfalz, z.B. aus Trier, Zwei­brücken oder dem hes­si­schen Frank­furt a.M. Kurz vor Be­ginn wurde eine Person auf dem Weg zur Demo auf einem Su­per­markt­park­platz von Nazis at­ta­ckiert und ver­letzt.

Noch vor der Auf­takt­kund­ge­bung tauchte eine Gruppe Neo­nazis der „Sturm­di­vi­sion Saar“ aus dem be­nach­barten Dil­lingen auf, die je­doch schnell durch ent­schlos­sene De­mo­teil­nehmer_innen an­ge­gangen wurden und schließ­lich von der Po­lizei fest­ge­setzt wurden.
Wäh­rend die Auf­takt­kund­ge­bung mit leichter Ver­spä­tung in­mitten gut be­suchter Cafés und Ge­schäfte los ging, wurden ca. 2000 Flyer an Passant_innen ver­teilt.

Den An­fang machte der Saar­län­di­sche Flücht­lingsrat, ver­treten von Peter No­bert (Ak­tion 3. Welt Saar) mit einem Re­de­bei­trag zur heu­tigen Si­tua­tion von Flücht­lingen im saar­län­di­schen Lager Le­bach. Es folgte ein State­ment des Bündnis „Buntes Hom­burg“ zur Erin­ne­rungs­ver­drän­gung und ein Re­de­bei­trag der An­tifa Saar / Pro­jekt AK zu Sa­muel Ye­boah und der Pro­ble­matik von als An­ti­ras­sismus ver­stan­dener Re­pro­duk­tion ras­sis­ti­scher Zu­stände.

Nach der Auf­takt­kund­ge­bung zog die De­mons­tra­tion rund eine Stunde laut­stark durch die gut be­suchte Saar­louiser In­nen­stadt, vorbei am „Welt­kin­der­tag“ zum Ge­burts­haus des Ko­lo­ni­al­ras­sisten Paul von Lettow-Vor­beck, wo die Zwi­schen­kund­ge­bung ab­ge­halten wurde. Hier spra­chen Thomas Lutze, MdB der Partei „die­Linke“ aus Saar­louis und Erich Später, Autor der Mo­nats­zeit­schrift kon­kret. Vor dem Saar­louiser Rat­haus, an dem vor 10 Jahren eine Ge­denk­tafel für Sa­muel Ye­boah an­ge­bracht und auf An­wei­sung des da­ma­ligen Ober­bür­ger­meis­ters we­nige Stunden da­nach wieder ent­fernt wurde, fand dann gegen 17 Uhr die Ab­schluss­kund­ge­bung statt. Ver­mut­lich um ein er­neutes An­bringen der Tafel zu ver­hin­dern, wurde die Rat­haustreppe kom­plett von Beamt_innen der Ein­satz­hun­dert­schaft be­setzt. Vor dem Rat­haus sprach Dirk Scholl (die­Linke), frak­ti­ons­loser Stadt­ver­ord­neter aus Saar­louis, der be­reits für meh­rere An­träge zum Thema „Ge­denken an Sa­muel Ye­boah“ ver­ant­wort­lich zeich­nete. Den Ab­schluss bil­dete ein Re­de­bei­trag von an­ti­na­tio­nale.org, der sich primär mit der heu­tigen Flücht­lings­po­litik Deutsch­lands und der EU be­schäf­tigte. Da­nach wurde die De­mons­tra­tion, die ohne Zwi­schen­fälle ver­lief und das An­sinnen der Teil­neh­menden gut in die Öf­fent­lich­keit bringen konnte, auf­ge­löst.

Als vor­läu­figes Fazit bleibt, dass die Ak­ti­ons­reihe zum 20. To­destag Sa­muel Ye­boahs und die De­mons­tra­tion als Teil dieser, zwar den Mord wieder zu­rück ins Ge­dächtnis von Stadt und Me­dien ge­rufen haben, je­doch auch eine zu­neh­mende Be­we­gung zur Ent­po­li­ti­sie­rung, so­wohl von Seiten der Stadt, als auch an­derer Gruppen, fest­zu­stellen ist. Dieser Ent­po­li­ti­sie­rung gilt es mit einer Fort­füh­rung der ini­ti­ierten Ak­ti­ons­reihe und Öf­fent­lich­keits­ar­beit ent­schlossen ent­ge­gen­zu­treten und sich weiter für ein ak­tives Ge­denken an Sa­muel Ye­boah stark zu ma­chen.

Pres­se­mit­tei­lung der An­tifa Saar / Pro­jekt AK zur De­mons­tra­tion

An­läss­lich des 20 To­des­tages von Sa­muel Ye­boah erin­nerten am gest­rigen Samstag knapp 200 Men­schen mit einer mehr­stün­digen Kund­ge­bung und De­mons­tra­tion in Saar­louis an die Er­mor­dung des Flücht­lings aus Ghana. Die Teil­nehmer_innen for­derten eine Ge­denk­tafel in der Stadt und ein Um­denken in der Flücht­lings­po­litik.

Auf der Auf­takt­kund­ge­bung in der Fran­zö­si­schen Straße sprach Peter No­bert als Ver­treter des saar­län­di­schen Flücht­lings­rats und der Ak­tion 3. Welt Saar. Er for­derte die Schlie­ßung des Flücht­lings­la­gers Le­bach, in dem zahl­reiche Men­schen unter un­wür­digen Be­din­gungen un­ter­ge­bracht sind. Ein Ver­treter des Bündnis Buntes Hom­burg the­ma­ti­sierte in seinem Bei­trag das kol­lek­tive Ver­drängen, wie es im Fall Sa­muel Ye­boah zu be­ob­achten ist. Die An­tifa Saar / Pro­jekt AK machte in ihrem Re­de­bei­trag auf den uni­ver­sa­lis­ti­schen Ur­sprung des an­ti­ras­sis­ti­schen Ge­dan­kens auf­merksam und warnte davor, diesen durch kul­tur­re­la­ti­vis­ti­sche Auf­fas­sungen auf­zu­wei­chen und ins Ge­gen­teil zu ver­kehren.

Der De­mons­tra­ti­onszug machte sich dann auf den Weg, um mit Pa­rolen wie „Sa­muel Ye­boah, das war Mord – Wi­der­stand an jedem Ort“ und „Ab­schie­bung ist Folter, Ab­schie­bung ist Mord – Blei­be­recht für alle – jetzt so­fort!“ auf ihr An­liegen auf­merksam zu ma­chen.

Auf der Zwi­schen­kund­ge­bung in der Sil­ber­herz­straße sprach der Bun­des­tags­ab­ge­ord­nete Thomas Lutze (die­Linke) und be­tonte, dass es ihm, ins­be­son­dere wegen dem Um­gang der Stadt­rats­frak­tion seiner ei­genen Partei, ein be­son­deres An­liegen sei auf der De­mons­tra­tion zu spre­chen.
Erich Später, Autor der Mo­nats­zeit­schrift kon­kret hielt eine An­sprache in der er skan­da­li­sierte, dass im Saar­land nicht an Opfer ras­sis­ti­scher Mord­brenner ge­dacht wird, wäh­rend Na­zi­ver­bre­cher wie bei­spiels­weise Franz-Josef Röder einen festen Platz in der Erin­ne­rungs­kultur ein­nehmen. In diesem Zu­sam­men­hang wies er auch nochmal auf die Un­ter­stüt­zung der ex­trem rechten Bur­schen­schaft Ghi­bel­linia durch den ehe­ma­ligen Mi­nis­ter­prä­si­denten Müller hin und for­derte die Ver­ant­wort­li­chen dazu auf, zu ver­hin­dern, dass dieser in das Amt eines Ver­fas­sungs­rich­ters ge­langt.

Laut­stark zog die De­mons­tra­tion dann noch einmal durch die In­nen­stadt vor das Rat­haus, wo zum Ab­schluss der frak­ti­ons­lose Linke Dirk Scholl über die ab­leh­nende Hal­tung des Saar­louiser Stadt­rates über seine dor­tigen Ini­tia­tiven zur Erin­ne­rung an Sa­muel Ye­boah be­rich­tete.
Ein Ver­treter der Gruppe an­ti­na­tio­nale.org sprach über den Ausbau der „Fes­tung Eu­ropa“ und rief zum Kampf gegen die eu­ro­päi­schen Flücht­lings­be­kämp­fungs­maß­nahmen auf.

Sara Jost, Pres­se­spre­cherin der An­tifa Saar / Pro­jekt AK er­klärte:
„Die Teil­nahme von na­hezu 200 Per­sonen an un­serer De­mons­tra­tion zeigt deut­lich, dass der ras­sis­ti­sche Mord an Sa­muel Ye­boah nicht in Ver­ges­sen­heit ge­raten ist. Die De­mons­tra­tion am Samstag war le­dig­lich der Auf­takt wei­terer Ak­tionen, die die Erin­ne­rung an Sa­muel Ye­boah und die Kritik an der Ge­denk­po­litik der Stadt Saar­louis zum In­halt haben.“
Be­züg­lich den jüngsten Äu­ße­rungen des Saar­louiser Ober­bür­ger­meis­ters Henz er­klärte Jost weiter: „Wir werden noch an Sa­muel Ye­boah erin­nern, wenn an OB Henz längst nie­mand mehr denkt.“

Die De­mons­tra­tion wurde or­ga­ni­siert von der An­tifa Saar / Pro­jekt AK, der an­ar­chis­ti­schen Gruppe an­ti­na­tio­nale.org und dem Bündnis Buntes Hom­burg.

Pres­se­mit­tei­lung der An­tifa Saar / Pro­jekt AK zu den Nazi-Über­griffen

Wie erst jetzt be­kannt wurde, wurden am ver­gan­genen Samstag min­des­tens zwei Men­schen Opfer neo­na­zis­ti­scher At­ta­cken in Saar­louis und Dil­lingen. Bei den Tä­tern han­delt es sich um Mit­glieder der Nazi-Ka­me­rad­schaft „Sturm­di­vi­sion Saar“, die ihren Schwer­punkt im saar­län­di­schen Dil­lingen hat. Be­reits wäh­rend der Auf­takt­kund­ge­bung der De­mons­tra­tion an­läss­lich des 20. To­des­tages von Sa­muel Ye­boah am Samstag Nach­mittag ver­suchten Mit­glieder dieser Ka­me­rad­schaft am Rande zu pro­vo­zieren. Nach In­for­ma­tionen der An­tifa Saar / Pro­jekt AK kam es auch schon im Vor­feld der De­mons­tra­tion durch diese Gruppe zu einem An­griff auf einen an­rei­senden Teil­nehmer in Saar­louis.

Im ersten Fall wurde ein junger An­ti­fa­schist von einer Gruppe Neo­nazis in der Nähe des GLOBUS-Ein­kaufs­zen­trum ge­schlagen, als er sich auf dem Weg zu der De­mons­tra­tion gegen Ras­sismus und deut­schen Na­tio­na­lismus an­läss­lich des 20. To­des­tages von Sa­muel Ye­boah be­fand. Der Be­schrei­bung nach, die er ge­gen­über der An­tifa Saar / Pro­jekt AK ab­ge­geben hatte, han­delte es sich dabei um die fünf­köp­fige Gruppe, die auch später di­rekt bei der Auf­takt­kund­ge­bung in der Fran­zö­si­schen Straße ent­tarnt wurde.

Im zweiten Fall wurde ein junger An­ti­fa­schist am Abend nach der Teil­nahme an der De­mons­tra­tion durch das Füh­rungs­mit­glied der Dil­linger Ka­me­rad­schaft Ralf Weber auf sein an­ti­fa­schis­ti­sches En­ga­ge­ment an­ge­spro­chen und an­schlie­ßend ins Ge­sicht ge­schlagen. Der junge Mann musste sich mit einer ge­bro­chenen Nase und zahl­rei­chen Prel­lungen im Kran­ken­haus be­han­deln lassen und er­stat­tete An­zeige bei der Po­lizei.

Alle An­greifer ge­hören zu einer Gruppe von Neo­nazis, die be­reits seit Jahren in Er­schei­nung tritt und seit kurzem unter dem Namen „Sturm­di­vi­sion Saar“ auf­tritt. Diese Grup­pie­rung hat ein Um­feld von ca. 30 bis 40 Per­sonen und trifft sich re­gel­mäßig in der Dil­linger Kneipe „Zur Pumpe“, deren In­haber zu den Mit­be­grün­dern der Ka­me­rad­schaft zu rechnen ist. Enge Kon­takte be­stehen unter an­derem auch zu dem saar­län­di­schen Ham­merskin-Netz­werk, deren Prot­ago­nist Ro­bert Kiefer re­gel­mäßig auf Treffen dieser Grup­pie­rung zu­gegen ist. Wie die ak­tu­elle Aus­gabe der Fach­zeit­schrift „Der Rechte Rand“ be­richtet, ist dieses in­ter­na­tio­nale Netz­werk ge­rade dabei seine Struk­turen im Saar­land aus­zu­bauen.

Sara Jost, Pres­se­spre­cherin der An­tifa Saar / Pro­jekt AK er­klärte zu den jüngsten Vor­fällen:

„Dies zeigt, dass die völ­kisch-ras­sis­ti­sche Ideo­logie aus der Mitte der Ge­sell­schaft, die zur Er­mor­dung Sa­muel Ye­boahs vor 20 Jahren führte, nach wie vor auch Struk­turen her­vor­bringt, die sich als Voll­strecker des Volks­wil­lens sehen. Diese gehen dann ge­walt­tätig gegen jene vor, die diesem ima­gi­nierten Volks­körper nicht zu­ge­rechnet werden. Was sich am letzten Samstag gegen junge An­ti­fa­schisten entlud, kann sich auch schnell gegen wei­tere Grup­pie­rungen richten. Es gilt nun ef­fi­zient auf diesen Na­zi­terror zu rea­gieren und sich nicht da­durch ein­schüch­tern zu lassen.“

Die An­tifa Saar / Pro­jekt AK ruft alle, die in den letzten Tagen oder Mo­naten Opfer neo­na­zis­ti­scher Über­griffe wurden dazu auf, sich an sie zu wenden. Alle In­for­ma­tionen werden ver­trau­lich be­han­delt und nur in Ab­sprache mit den Be­trof­fenen öf­fent­lich ge­macht.

Re­de­bei­trag von an­ti­na­tio­nale.org

Vor 20 Jahren wurde Sa­muel Ye­boah er­mordet. Er war ein Flücht­ling aus Ghana, also ein Mensch wie viele an­dere auch. Ein Mensch, den Hunger, Krieg, Ver­fol­gung und eine um­fas­sende Per­spek­tiv­lo­sig­keit dazu trieben, sein ge­wohntes Um­feld, sein Zu­hause, seine Freunde und Fa­milie zu ver­lassen, um sich in der Hoff­nung auf eine bes­sere Zu­kunft nach Eu­ropa zu be­geben. Wie diese Hoff­nung en­dete wissen wir alle.

Täg­lich ver­su­chen hun­derte und tau­sende von Men­schen dem Elend ihrer Heimat zu ent­fliehen, indem sie die un­ge­wisse und ge­fähr­liche Reise nach Eu­ropa auf sich nehmen. Und täg­lich ver­sucht ein rie­ßiger Ap­parat aus Ge­setzen und In­sti­tu­tionen dies zu ver­hin­dern, ihnen die Ein­reise und – so­fern ihnen diese über­haupt ge­lingt – den ge­si­cherten Auf­ent­halt in Deutsch­land und Eu­ropa so schwer wie mög­lich zu ma­chen. Kurz: Das mög­lichst wenig Men­schen am Wohl­stand Eu­ropas teil­haben.

Die Band­breite an Mög­lich­keiten, die Deutsch­land und Eu­ropa für die „Flücht­lings­be­kämp­fung“ (wie die deut­sche Bun­des­kanz­lerin dies einmal ver­se­hent­li­cher­weise, aber den­noch richtig be­zeich­nete) zu Ver­fü­gung stehen sind viel­seitig und setzen an ver­schie­denen Stellen an. Sie um­fassen Ge­setze, Kon­trollen der na­tio­nalen Si­cher­heits­kräfte und eine ei­gene, spe­ziell dafür ge­grün­dete, eu­ro­päi­sche Grenz­schutz­ar­gentur.

Als in Deutsch­land, An­fang der 90er Jahre die Flücht­lings­heime brannten, beugte sich das po­li­ti­sche Eta­blis­se­ment dem Druck des Mobs auf der Straße und seinen Sprach­rohren in Me­dien und Po­litik. Aus dem Slogan „Das Boot ist voll!“ ent­stand 1993 der so­ge­nannte Asyl­kom­pro­miss. Dieser re­gelt das, vorher im Grund­ge­setz ver­an­kerte, Recht auf Asyl neu. Eine Neu­re­ge­lung meint in diesem Fall, das Hin­zu­fügen von Aus­nahmen und Son­der­re­ge­lungen. Das Er­gebnis sah so aus, das es nu­mehr fast keinem Flücht­ling mehr mög­lich war einen recht­mä­ßigen Asy­lan­trag zu stellen bzw. diesen be­wil­ligt zu be­kommen. So­fern er über­haupt die Chance dazu er­hielt.

Ein zen­traler Punkt der Än­de­rung war die so­ge­nannte Dritt­staa­ten­re­ge­lung, die be­sagt das das Grund­recht auf Asyl in Deutsch­land nicht in An­spruch ge­nommen werden kann, wenn der be­tref­fende Flücht­ling aus einem si­cheren Staat nach Deutsch­land ein­reisst. Prak­tisch für Deutsch­land, ist es doch aus­schließ­lich von si­cheren Dritt­staaten um­geben. Die einzig, theo­re­ti­sche Mög­lich­keit nach Deutsch­land zu reisen, ohne den Weg über ein sol­ches Land zu nehmen wäre per Flug­zeug. Je­doch wurde auch daran ge­dacht, so ist es durch eine Er­gän­zung mög­lich Flücht­linge di­rekt am Flug­hafen ab­zu­fangen und ohne die Mög­lich­keit eines Asy­lan­trags zu­rück zu schi­cken. Eine ähn­liche Hand­ha­bung findet sich auch an den Län­der­grenzen selbst.

Die Wir­kung dieser Re­ge­lungen ließ nicht lange auf sich warten, so­wohl die Zahl der An­träge selbst, als auch der An­teil der Be­wil­li­gungen sank seit der Än­de­rung kon­ti­nu­ier­lich. Im Jahr vorm Asyl­kom­pro­miss be­an­tragten 438.000 Men­schen Asyl in Deutsch­land, im letzten Jahr da­gegen nicht einmal mehr 49.000. Von diesen waren dann stolze 643 recht­mäßig.

Doch Deutsch­land steht mit einer sol­chen Ver­schär­fung nicht al­leine, im Ge­gen­teil: Die EU zieht fleissig mit. Mit dem Zu­sam­men­rücken der ein­ze­lenen Mit­glieds­länder in­ner­halb der EU wurde eine ge­mein­same Flücht­lings­poltik ent­wi­ckelt, die der Deutsch­lands in nichts nach­steht: Die beiden zen­tralen In­stru­mente hierbei nennen sich Du­blin II und Frontex.

Du­blin II ist der um­gangs­sprach­liche Name einer EU-Ver­ord­nung. Diese be­sagt, das ein Flücht­ling in Eu­ropa nur einen An­trag auf Asyl stellen darf, näm­lich in dem Land das er als erstes be­treten hat. Das schiebt die Ver­ant­wor­tung na­tür­lich auf die Länder, die als klas­si­sche Tran­sit­länder für Flücht­linge gelten bspw. Ita­lien, Grie­chen­land oder Spa­nien. Diese stehen da­durch na­tür­lich stärker unter Druck eine ef­fek­tive Ab­wehr von Flücht­lingen zu schaffen.

Dies wurde durch die EU 2004 mit der Grün­dung von Frontex über­nommen. Frontex ist die Eu­ro­päi­sche Agentur für die ope­ra­tive Zu­sam­men­ar­beit an den Au­ßen­grenzen und ist dafür zu­ständig die so ge­nannte il­le­gale oder nicht re­gu­lierte Mi­gra­tion zu un­ter­binden. Das macht sie mit mi­li­tä­ri­schen Mit­teln. Aus­ge­rüstet mit Schnell­booten, Hub­schrau­bern, Wär­me­bild­ka­meras, Drohnen und Schuss­waffen wird die Flucht vor Krieg, Ver­fol­gung und Hunger also rück­sichtslos be­kämpft.

Weil es aber, aus Sicht der EU immer noch zu viele Flücht­linge nach Eu­ropa schaffen, wird weiter auf­ge­rüstet. Wäh­rend sich bisher ein­zelne Ein­heiten aus eu­ro­päi­schen Staaten für Frontex-Mis­sionen im Mit­tel­meer zu­sam­menschließen mussten, gibt es seit diesem Jahr auch ei­gen­stän­dige eu­ro­päi­sche Truppen, samt ei­genem Kriegs­gerät, um die Küsten un­si­cher zu ma­chen. Für die Ei­gen­stän­dig­keit ver­fügt die Agentur über ein ei­genes Budget in zwei­stel­liger Mil­lio­nen­höhe. Hinzu kommt eine ge­wal­tige In­fra­struktur im Hin­ter­land, die das Han­deln von Frontex erst er­mög­licht. Dazu ge­hören die na­tio­nalen Po­li­zeien, aus denen sich Frontex re­kru­tiert oder die Bun­des­po­li­zei­aka­demie in Lü­beck, die für die Aus­bil­dung in Deutsch­land zu­ständig ist. Dazu kommen na­tio­nale und vor allem eu­ro­päi­sche Da­ten­banken, die Frontex mit per­so­nen­be­zo­genen Daten, wie Fin­ger­ab­drücken ver­sorgt und auf welche die Agentur zu­greifen kann um bei­spiels­weise ei­gene Ana­lysen und Si­tua­ti­ons­ein­schät­zungen zu lie­fern. Solche so ge­nannten Ri­si­ko­ana­lysen gehen dann wie­derum in die na­tio­nalen Mi­gra­ti­ons­po­li­tiken ein.

Die Gründe für diese und viele an­dere Me­cha­nismen zur Be­gren­zung und Be­kämp­fung von Mi­gra­tion liegen auf der Hand. Der Wohl­stand Eu­ropas bzw. der west­li­chen Welt ge­ne­rell ist be­dingt durch die Aus­beu­tung an­derer Länder, de facto der süd­li­chen Halb­kugel. Eine solche Aus­beu­tung funk­tio­niert nur durch Ab­schot­tung und das Zu­rück­halten von Res­sourcen, denn hohe Pro­fite ent­stehen nur durch eine breite Kon­kur­renz und eine Kon­zen­tra­tion von Ka­pital auf mög­lichst we­nige.

Eine gleiche Ver­tei­lung der welt­weiten Res­sourcen läuft der ka­pi­ta­lis­ti­schen Logik ent­gegen. Daraus folgt, das es nicht reicht das be­ste­hende System zu re­for­mieren oder punk­tuell zu ver­bes­sern. Dies ist in einer zu­frie­den­stel­lenden Form auch gar nicht mög­lich, da Aus­beu­tung, Aus­gren­zung und Kon­kur­renz­kampf not­wen­dige Vor­aus­set­zungen für dieses System sind.

Diese Me­cha­nismen spielen sich je­doch nicht nur auf einer rein wirt­schaft­li­chen Ebene ab, son­dern schüren und ver­stärken so­ziale Kon­flikte. Das stän­dige Ringen um die ei­gene Exis­tenz bietet einen frucht­baren Nähr­boden für Po­litik der ein­fa­chen Lö­sungen, für ein „Wir zu­erst“. Dies be­ginnt bei der tag­täg­li­chen Iso­lie­rung beim Kampf um Ar­beitsplätze mit den Mil­lionen von Ar­beits­losen und endet mit dem Zu­sam­men­rücken als Na­tion gegen ver­meind­liche Schma­rotzer aus der süd­li­chen He­mi­sphäre.

In sol­chen Si­tua­tionen, von Krise und per­sön­li­cher Exis­tenzangst greift meist die Po­litik der ein­fa­chen Lö­sungen. An­statt die Ur­sa­chen ei­gener Ein­schnei­dungen bei einem ge­ne­rellen Fehler im System zu su­chen, werden diese ein­fach einer be­stimmten Gruppe von Men­schen zu­ge­schoben. Das diese weit mehr unter den ne­ga­tiven Folgen des Sys­tems zu leiden hatten und haben spielt dabei keine Rolle. Dies sind dann auch die Si­tua­tionen, in denen ein sol­ches Ab­wälzen in Ab­leh­nung und diese Ab­leh­nung in un­ver­hoh­lene Feind­schaft um­schlägt. Und dies sind schlus­send­lich Si­tua­tionen in denen Men­schen wie Sa­muel Ye­boah ums Leben kommen.

Wir sind dieses ewigen Kon­kur­renz­kampfes müde und über­drüssig. In einer Welt, die theo­re­tisch mehr als ge­nü­gend Res­sourcen für ein an­ge­nehmes Leben für jeden bietet, wollen wir uns nicht mehr ge­gen­ein­ander auf­hetzen und aus­spielen lassen. Wir glauben das ein gutes Leben für einen selbst lang­fristig nur mög­lich ist, wenn alle Men­schen ein gutes Leben haben. Un­ab­hängig von Her­kunft und Haut­farbe. Statt Kon­zen­tra­tion von Reichtum auf we­nige for­dern wir Reichtum für alle, statt Ab­schot­tung hinter Grenz­an­lagen und Pa­trouil­lien for­dern wir gren­zen­lose Be­we­gungs­frei­heit für jeden.

Gegen Ras­sismus, Na­tio­na­lismus und Ka­pi­ta­lismus.
Für die so­ziale Re­vo­lu­tion.


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