Knapp 200 Menschen demonstrierten am 24. September in Saarlouis gegen Rassismus und deutschen Nationalismus
Bei sonnigem Wetter liefen etwa 200 Teilnehmer_innen in einer dreistündigen Demonstration durch die Innenstadt von Saarlouis. Anlass war der 20. Todestag von Samuel Yeboah, der 1991 bei einem rassistischen Brandanschlag in einem Flüchtlingsheim in Saarlouis-Fraulautern ums Leben kam.
Darüber hinaus wurden während der Demonstration, durch Redebeiträge und Flyer auf weitere Themen aufmerksam gemacht und informiert. Dazu gehörten unter anderem der Umgang der Stadt Saarlouis mit der Thematik, die Situation von Flüchtlingen im saarländischen Flüchtlingslager Lebach, oder den Umgang mit Flüchtlingen seitens Deutschland und der EU. Im Vorfeld der Demonstration und am selben Abend kam es zu einzelnen Übergriffen von Angehörigen der saarländischen Kameradschaftsszene auf Teilnehmer_innen der Demonstration.
– Aufruf
– Bericht der Demonstration
– Pressemitteilung der Antifa Saar / Projekt AK zur Demonstration
– Pressemitteilung der Antifa Saar / Projekt AK zu den Nazi-Übergriffen
– Redebeitrag von antinationale.org
– Bilder
Aufruf zur Demonstration:
Am 19. September 1991 fiel Samuel Kofi Yeboah in Saarlouis einem rassistischen Brandanschlag zum Opfer. Er ist eines der ersten Opfer rassistischer Gewalt in Westdeutschland nach der Wiedervereinigung. Anlässlich seines nahenden 20. Todestags wollen wir mit einer Aktionsreihe an Samuel Yeboah, dessen Mörder_innen nie gefasst wurden, würdig erinnern und den rassistischen Alltag in der Bundesrepublik und Europa thematisieren.
Wir knüpfen hiermit an Aktivitäten anlässlich des 5., 10. und 15. Todestags an. Am 10. Todestag hielten mehrere antirassistische Gruppen eine Gedenkveranstaltung ab, in deren Verlauf am Rathaus in Saarlouis eine schwere Steinplatte zum Gedenken an Yeboah angebracht wurde. Die Stadt fühlte sich durch das Gedenken offenbar gestört und prozessierte sowohl auf straf- als auch auf zivilrechtlichem Weg gegen die Anbringung der Gedenktafel und bekam vor Gericht Schadensersatz zugesprochen.
Am 15. Todestag setzte sich der „Runde Tisch für ein öffentliches Gedenken an Samuel Yeboah“ für die Umbenennung der umstrittenen Lettow-Vorbeck-Straße in Saarlouis in Samuel-Yeboah-Straße ein und versuchte, eine „würdige Form des öffentlichen Gedenkens“, wie in Mölln und Solingen zu etablieren.
Wir wollen mit unserer Aktionsreihe an diese Formen des Gedenkens anknüpfen. Im Rahmen unserer Aktionsreihe rufen wir am 24. September 2011 zu einer Demonstration auf, in Erinnerung an Samuel Yeboah und für einen progressiven Antirassismus, der nicht nur den Rassismus in der Gesellschaft, sondern auch die gesellschaftlichen Verhältnisse kritisiert, die ihn reproduzieren.
21 Jahre wiedervereinigtes Deutschland – 21 Jahre wiedervereinigter Rassismus
Der Mord an Samuel Yeboah lässt sich für uns nicht von der spezifischen Ausformung des deutschen Nationalismus zu Beginn der 90er Jahre trennen, denn der tödliche Brandanschlag in Saarlouis blieb leider kein Einzelfall, sondern bildete den traurigen Auftakt für eine Serie von rassistischen Übergriffen auf Menschen im wiedervereinigten Deutschland.
Nachdem die Parolen bei den Montagsdemonstrationen von „Wir sind das Volk“ zu „Wir sind ein Volk“ durch eine völkische Komponente verschärft und damit die legitime Forderung nach politischer Mitbestimmung zur nationalistischen Massenmobilisierung wurde, hätte man die Konsequenzen erahnen können.
Denn egal, ob bei den antinapoleonischen Aufständen oder der gescheiterten bürgerlichen Revolution von 18481, wenn sich in Deutschland die Nation artikuliert, dann endete dies bisher noch immer mit brennenden Häusern. Da bildete auch die deutsche Wiedervereinigung keine Ausnahme, egal wie liberal und progressiv sie jährlich am Tag der deutschen Einheit dargestellt wird.
Als nun zusammengewachsen war, was zusammengehörte, begann das deutsche Volk mit dem Anzünden von Asylbewerber_innenheimen. Die Ausrede, dass lediglich einige gesellschaftlich marginalisierte Neonazis für die pogromartigen Übergriffe verantwortlich seien, vertuscht lediglich die einträchtige Gemeinschaft in der sich diese Taten vollzogen. Denn neben den Neonazis waren auch die hetzende Presse, die Beifall klatschenden Nachbar_innen, die „normale“ Bevölkerung, die nach eigenem Ermessen im Prinzip gar nichts gegen Ausländer haben, und natürlich die Bundesregierung, die im Nachhinein dem Willen des Mobs mit einer faktischen Abschaffung des Asylrechts entgegenkam, an den Pogromen nicht unbeteiligt.
Dabei ist es gerade diese einträchtige Gemeinschaft im Kampf gegen die Volksfremden, jenseits der sonstigen Antagonismen bürgerlicher Gesellschaften, die für die deutsche Nation charakteristisch ist. Es spielt keine Rolle, ob man Redakteur_in bei der FAZ oder Langzeitarbeitslose_r ist, es gibt in solchen Momenten lediglich die Verschmelzung der Deutschen gegen die als „fremd“ imaginierten.
Zwar findet sich in allen Formen kapitalistischer Vergesellschaftung Rassismus, allerdings ist es unserer Meinung nach trotzdem wichtig die deutsche Spezifik zu thematisieren. In Deutschland ist der Partikularismus traditionell nicht oder nur wenig ausgeprägt. Daraus speist sich der Vorwurf, dass sich die Deutschen nie tatsächlich von der Gemeinschaft zur Gesellschaft emanzipiert haben. Hierzulande gibt es lediglich verschiedene Formen von der Sorge um das Allgemeinwohl und es existiert kein energisches Eintreten für partikulare Interessen. Dieser Zusammenhalt über Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse hinweg lässt sich jedoch nur durch den massenhaften Ausschluss von Menschen aus dieser idealisierten Gemeinschaft realisieren. Die Notwendigkeit der Ausgrenzung zur Wahrung der Gemeinschaft über Ungleichheiten hinweg ist der Bevölkerung oft nicht bewusst, was jedoch an der Wirkungsmächtigkeit dieses allgegenwärtigen Ausschlusses von „Volksfeinden“ oder „Volksfremden“ nichts zu ändern vermag.
Die mangelnde Emanzipation der Deutschen von der stumpfen Gemeinschaft zur Gesellschaft lässt sich lediglich damit erklären, dass „die Landsleute unmöglich die beglückende Erinnerung an die totale Verschmelzung von Gesellschaft und Staat abtun können, die ihnen der Nazifaschismus bescherte.“2
Dass „jene Identifikationen und der kollektive Narzissmus gar nicht zerstört wurden, sondern fortbestehen“3, war zumindest einigen bewusst. So fand 1990 in Frankfurt am Main eine Demonstration unter dem Motto „Nie wieder Deutschland“ mit 20.000 Teilnehmern_innen statt, die vor einem vierten Reich warnten. Zwar bewahrheitete sich die Befürchtung eines 4. Reichs vorerst nicht, allerdings wäre es falsch daraus zu schließen, dass in Deutschland die Zivilisation Anklang gefunden hätte. Die brennenden Gebäude in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Solingen, Mölln, Sangerhausen und Saarlouis bewiesen das Gegenteil. Dass dieser rassistische Wahn, der unter anderem Samuel Yeboah das Leben kostete, keineswegs nur von ein paar Dorf-Nazis vollzogen wurde, belegen zahlreiche Zitate.
Wenn der Berliner Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) behaupten kann, in Rostock-Lichtenhagen habe sich nicht Rassismus geäußert, „sondern der vollauf berechtigte Unmut über den Massenmissbrauch des Asylrechts“4 ohne dafür aus dem Amt gejagt zu werden, spricht dies Bände hinsichtlich der Realität des frisch geeinten und freien Deutschlands. Dabei muss man dem Innensenator zugestehen, dass er durchaus erkannt hat, dass politischer Unmut in Deutschland sich darin äußert, Häuser in denen sich Menschen befinden niederzubrennen.
Helmut Schmidt log die Pogrome gleich in berechtigte Notwehr um und faselte davon, dass in Deutschland bei zu viel Arbeitslosigkeit die Gesellschaft „entartet“5.
Seit den 90er Jahren hat sich an dieser Situation nun viel geändert, aber wenig verbessert. Als unter Rot-Grün zum ersten Mal die 68er begannen, die Politik mitzugestalten, formierte sich der „Aufstand der Anständigen“ gegen Neonazis. Als anständiger Deutscher begann man nun gegen Rassismus und Nazis zu sein, die man damit zum Randproblem verklärte. Man behauptet nach wie vor eine Mehrheitsgesellschaft, die sogenannte „Mitte“, in der es keinen Rassismus und andere Versatzstücke nationalsozialistischer Ideologie gäbe und leugnet die tiefe Sehnsucht der Deutschen nach dem Verschmelzen zur Gemeinschaft gegen die Feinde des Volkes, ob nun die zersetzende USA, Israel oder wie in den 90ern gegen Migrant_innen. Tatsächlicher Antifaschismus leistet jedoch mehr als die Bekämpfung von Nazi-Trotteln, sondern auch die schonungslose Thematisierung der NS-Kontinuitäten in der deutschen „Mitte“, auch wenn sie sich bei „Bockwurst fressen gegen Rechts“ vermeintlich aufgeklärt und fortschrittlich zeigt. Solche Veranstaltungen täuschen lediglich darüber hinweg, dass Hetzjagden auf Migrant_innen zur deutschen Normalität gehören.
Phänomene wie Sarrazin zeigen, dass rassistische Vorstellungen jederzeit auch in der vermeintlich aufgeklärten „Mitte“ der Gesellschaft Zuspruch finden können.
Wertegemeinschaft Europa
Der Rassismus fordert nicht nur Opfer, wenn er sich in Form eines Volksmobs entlädt. Tagtäglich fordern Abschiebungen und Grenzausbau Menschenleben. Spätestens seit 2004, als mit der Verordnung (EG) 2007/2004 des Rates der Europäischen Union die „Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen“ (kurz: FRONTEX) ins Leben gerufen wurde, tritt die EU verstärkt als Akteurin beim sogenannten „Migrationsmanagement“ in Erscheinung. Aus Versehen bezeichnete Angela Merkel dieses Migrationsmanagement einmal völlig zutreffend als „Flüchtlingsbekämpfung“. Diese Flüchtlingsbekämpfung findet zur Zeit hauptsächlich im Mittelmeer statt. Laut „International Centre on Migration Policy Development“ starben im Mittelmeer in den letzten Jahren zehntausende Menschen bei dem verzweifelten Versuch vor Armut und Hunger zu fliehen. FRONTEX ortet Flüchtlingsboote und übergibt deren Position an die entsprechenden südeuropäischen Staaten, die dann oftmals versuchen die behelfsmäßig zusammengebauten und meist überfüllten Boote abzudrängen.
Dieses Abdrängen endet nicht selten tödlich für die Flüchtlinge. Das gewaltsame Vorgehen gegen Flüchtlinge nimmt ihnen die Möglichkeit gegebenenfalls einen Asylantrag zu stellen. Ein Recht, das ihnen nach der Genfer Flüchtlingskonvention zusteht, diese Ansicht teilt unter anderem der „Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen“ (UNHCR).
Ein erschreckendes Beispiel für das „Migrationsmanagement“ der Europäischen Union ist der Umgang mit den Flüchtlingen aus Tunesien, die zu Beginn dieses Jahres nach Italien flohen. Die ungefähre Zahl der Flüchtlinge beträgt 30.000, eine Anzahl, die für ein Land wie Italien keine nennenswerte Herausforderung darstellt und schon gar nicht für die EU. Dennoch rief Italien, beinahe panisch, nach Solidarität der anderen Staaten in der EU und begann Tunesier_innen mit Visa auszustatten und ihnen somit die Weiterreise in die EU zu ermöglichen. Für Deutschland und Frankreich eine Horrorvision, denn bei Flüchtlingen hört bekanntlich in der EU jegliche Form der Solidarität auf und so wurde ein Jahr nachdem man das 25-jährige Bestehen des Schengen-Abkommens begeistert abfeierte mit dem Aussetzen desselbigen gedroht. Seehofer gab seinen Zuhörer_innen beim politischen Aschermittwoch genau das, was sie hören wollten und kündigte an, jede Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme „bis zur letzten Patrone“ zu bekämpfen6.
Dabei stellt die Empörung Deutschlands und Frankreichs bei der Vorstellung es könnten über Italien einige Flüchtlinge einreisen keinen Paradigmenwechsel dar. Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des europäischen Rates vom 18. Februar 2003 (auch Dublin II genannt) setzte bereits einseitige Interessen Deutschlands und Frankreichs durch, da laut Dublin II jeder Flüchtling seinen Asylantrag in dem Land stellen muss, in dem, er als erstes die EU betritt. Für Deutschland mit seiner exponierten Lage im Herzen von Europa natürlich sehr angenehm, für Länder wie Italien ärgerlich, denn sie müssen für die Kosten für die Asylverfahren alleine aufkommen und haben somit ein verstärktes Interesse daran, Flüchtlinge bereits im Mittelmeer abzudrängen und sich somit Asylverfahren sparen zu können.
Doch auch wer es trotz Militär und absurder Gesetzgebung tatsächlich schaffen sollte in Italien das Recht auf Asyl zugesprochen zu bekommen, lebt in elenden Verhältnissen. „Flüchtlinge – sowohl asylsuchende, als auch solche, die einen Schutzstatus bereits erhalten haben, leben in Italien größtenteils im absoluten Elend und in Obdachlosigkeit“7 (Pro Asyl). Allerdings ist auch diese klägliche „Solidarität“, die Flüchtlinge in Italien erfahren offenbar zu viel und so kündigte der italienische Transportminister folgendes an: „Dieses Problem könnte so unglaublich groß werden, dass wir uns fragen müssen, ob wir Waffen einsetzen sollen“.
Wer über Rassismus in der EU reden will, der sieht sich neben der menschenverachtenden Flüchtlingsbekämpfung mit einem unsäglichen Umgang mit Roma konfrontiert.
Nicht nur in Ungarn, wo Roma aufgrund paramilitärischer Schlägertrupps um ihr Leben fürchten müssen, ist die Lage katastrophal. Im vergangenen Jahr ließ die Bundesrepublik alle humanitären Hemmungen fallen und schob Kranke, Alte, Kinder u.s.w ohne Rücksicht auf Verluste in den Kosovo ab. Viele davon lebten bereits zwischen zehn und zwanzig Jahren in Deutschland, sprechen kein Albanisch und haben daher keine Chance auf eine sichere Zukunft im Kosovo. Weiterhin berichtet Pro Asyl von einem zunehmenden Rassismus gegenüber Roma im Kosovo: „Nach Berichten von Nichtregierungsorganisationen, des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) sowie des Menschenrechtskommissars des Europarates, Thomas Hammarberg, sind Angehörige der Roma(…) im Kosovo weiterhin bedroht. Bereits abgeschobene Roma berichten über Gewalt und rassistische Diskriminierung von Seiten albanischer Polizeikräfte.“
Aber was dies anbelangt befindet sich Deutschland mit Frankreich in bester Gesellschaft, im Juni letzten Jahres trat Sarkozy unverhohlen eine Aktionsreihe gegen »Zigeuner« los und verstieß damit, dass er Bürger_innen aus Staaten der EU ausweisen ließ, offen gegen die Grundprinzipien des Schengen-Abkommens. Die anfängliche Empörung wurde von den französischen Konservativen in Frankreich mit nationalistischem Gefasel von Souveränität gekontert und die EU gab ihren Widerstand nach nicht allzu langer Zeit auf.
Der rassistische und menschenverachtende Umgang mit Flüchtlingen innerhalb der EU lässt sich auch im Saarland beobachten. So leben zur Zeit in Lebach 800 Menschen unter unwürdigen Bedingungen in einem Flüchtlingslager, in dem es ihnen unmöglich ist ein einigermaßen selbstbestimmtes Leben zu führen.
Für eine Kritik des Rassismus ist also eine Kritik der Europäischen Union und ihrer Institutionen unabdingbar.
What solution?
Wenn wir dazu aufrufen am 24. September für ein würdiges Gedenken an Samuel Yeboah und die Kritik des rassistischen Normalzustands auf die Straßen zu gehen, dann lässt sich dies für uns nicht von den gesellschaftlichen Verhältnissen trennen, die ihn tagtäglich reproduzieren. Zwar ist es verkürzt den Rassismus als Nebenwiderspruch der bestehenden Verhältnisse zu relativieren, denn Rassismus ist auch in einer grundsätzlich anderen Gesellschaft denkbar, aber ihn isoliert von der Gesellschaft zu betrachten wäre blind.
Die permanente Degradierung von Individuen zu warenproduzierenden und -tauschenden Subjekten und die damit einhergehende Zurichtung führt tendenziell zu einer Charakterstruktur, die anfällig für rassistische Ideologie ist. Die Träger_innen jener Charakterstruktur sind unfähig komplexe soziale Prozesse einzuschätzen und zu ihrer Erklärung greifen sie auf soziale Tickets zurück, die von ihrem Umfeld und der Kulturindustrie zur Verfügung gestellt werden8.
Beispielhaft lässt sich dies an dem, für spätkapitalistische Gesellschaften charakteristischen, Anwachsen der „industriellen Reservearmee“ (Marx) verdeutlichen. Durch den dem Kapitalismus inhärenten Widerspruch, dass auf der einen Seite Lohnarbeit intensiviert wird und auf der anderen Seite mehr und mehr Menschen im Verwertungsprozess für überflüssig erklärt werden, entsteht eine permanente Masse von Arbeitslosen. Wird dieser Mechanismus nicht durchschaut, sondern die industrielle Reservearmee biologisiert, so entsteht der klassische Rassismus, der gegen arbeitslose Migrant_innen hetzt.
Die zusätzliche Ghettoisierung durch Gentrifizierung, ebenfalls charakteristisch für Städteentwicklung im Kapitalismus, bei der gerade jene „industrielle Reservearmee“ an den Rand der Stadt gedrängt wird, führt völlig logisch zum Entstehen von hohen Kriminalitätsraten in spezifischen Stadtteilen. Auch dieses Phänomen wird aber oft biologisiert und Migrant_innen wird die Schuld für hohe Kriminalität und die Ghettoisierung bestimmter Stadtteile gegeben.
Der bürgerliche Staat versucht solche Widersprüche zu glätten, mit erhöhter Bullenpräsenz in bestimmten Stadtteilen, mit der Militarisierung des Migrationsmanagements um die ökonomisch Überflüssigen von Europa fernzuhalten. Diese Reaktion ist Eingeständnis der Unfähigkeit des Staates solcher struktureller Probleme Herr zu werden. Nur die Abschaffung einer Wirtschafts- und Gesellschaftsform, die zunehmend Menschen für überflüssig erklärt, kann den institutionellen und gesellschaftlichen Rassismus bekämpfen. Zwar ist auch außerhalb einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung Rassismus denkbar und antirassistisches Engagement innerhalb dieser Gesellschaft nicht überflüssig, aber ohne Kritik an den Strukturen, die ihn reproduzieren, bleibt die Kritik doch perspektivlos. Wir wollen nicht von Multikulturalismus und Integration reden, nicht von Kita-Plätzen oder Gesamtschulen, sondern die Mechanismen, die tagtäglich Ausgrenzung produzieren, schonungslos offenlegen und abschaffen!
Nur die Aufhebung der kapitalistischen Gesellschaft zugunsten der kommunistischen kann diesem menschenfeindlichen Zustand sein gerechtes Ende setzen.
Kommt am 24. September nach Saarlouis!
Französische Straße (Pavillon) – 14.00 Uhr
Keinen Kompromiss mit der Barbarei!
Gegen Rassismus, Antisemitismus und deutschen Nationalismus!
Unterstützer_innen:
antinationale.org, Bündnis Buntes Homburg, Antifa Euskirchen/Eifel, Antifa Koblenz
Bericht der Demonstration
In Gedenken an den vor 20 Jahren durch einen rassistischen Brandanschlag ermordeten Flüchtling Samuel Yeboah fand am vergangenen Samstag eine Demonstration gegen Rassismus und deutschen Nationalismus in der Saarlouiser Altstadt statt. Die rund 200 Teilnehmer_innen machten fast drei Stunden auf das nach wie vor fehlende öffentliche Gedenken an die Tat und den gesellschaftlichen Kontext, in dem diese entstehen konnte, aufmerksam.
Am vergangenen Samstag versammelten sich rund 200 Personen gegen 14 Uhr in der Fußgängerzone der „heimlichen Hautpstadt“ des Saarlandes, um anlässlich des 20. Todestages von Samuel Yeboah für ein aktives Gedenken an den Flüchtling aus Ghana und gegen Rassismus und deutschen Nationalismus zu demonstrieren. Die Teilnehmer_innen kamen vor allem aus dem Saarland, aber auch aus dem angrenzenden Rheinland Pfalz, z.B. aus Trier, Zweibrücken oder dem hessischen Frankfurt a.M. Kurz vor Beginn wurde eine Person auf dem Weg zur Demo auf einem Supermarktparkplatz von Nazis attackiert und verletzt.
Noch vor der Auftaktkundgebung tauchte eine Gruppe Neonazis der „Sturmdivision Saar“ aus dem benachbarten Dillingen auf, die jedoch schnell durch entschlossene Demoteilnehmer_innen angegangen wurden und schließlich von der Polizei festgesetzt wurden.
Während die Auftaktkundgebung mit leichter Verspätung inmitten gut besuchter Cafés und Geschäfte los ging, wurden ca. 2000 Flyer an Passant_innen verteilt.
Den Anfang machte der Saarländische Flüchtlingsrat, vertreten von Peter Nobert (Aktion 3. Welt Saar) mit einem Redebeitrag zur heutigen Situation von Flüchtlingen im saarländischen Lager Lebach. Es folgte ein Statement des Bündnis „Buntes Homburg“ zur Erinnerungsverdrängung und ein Redebeitrag der Antifa Saar / Projekt AK zu Samuel Yeboah und der Problematik von als Antirassismus verstandener Reproduktion rassistischer Zustände.
Nach der Auftaktkundgebung zog die Demonstration rund eine Stunde lautstark durch die gut besuchte Saarlouiser Innenstadt, vorbei am „Weltkindertag“ zum Geburtshaus des Kolonialrassisten Paul von Lettow-Vorbeck, wo die Zwischenkundgebung abgehalten wurde. Hier sprachen Thomas Lutze, MdB der Partei „dieLinke“ aus Saarlouis und Erich Später, Autor der Monatszeitschrift konkret. Vor dem Saarlouiser Rathaus, an dem vor 10 Jahren eine Gedenktafel für Samuel Yeboah angebracht und auf Anweisung des damaligen Oberbürgermeisters wenige Stunden danach wieder entfernt wurde, fand dann gegen 17 Uhr die Abschlusskundgebung statt. Vermutlich um ein erneutes Anbringen der Tafel zu verhindern, wurde die Rathaustreppe komplett von Beamt_innen der Einsatzhundertschaft besetzt. Vor dem Rathaus sprach Dirk Scholl (dieLinke), fraktionsloser Stadtverordneter aus Saarlouis, der bereits für mehrere Anträge zum Thema „Gedenken an Samuel Yeboah“ verantwortlich zeichnete. Den Abschluss bildete ein Redebeitrag von antinationale.org, der sich primär mit der heutigen Flüchtlingspolitik Deutschlands und der EU beschäftigte. Danach wurde die Demonstration, die ohne Zwischenfälle verlief und das Ansinnen der Teilnehmenden gut in die Öffentlichkeit bringen konnte, aufgelöst.
Als vorläufiges Fazit bleibt, dass die Aktionsreihe zum 20. Todestag Samuel Yeboahs und die Demonstration als Teil dieser, zwar den Mord wieder zurück ins Gedächtnis von Stadt und Medien gerufen haben, jedoch auch eine zunehmende Bewegung zur Entpolitisierung, sowohl von Seiten der Stadt, als auch anderer Gruppen, festzustellen ist. Dieser Entpolitisierung gilt es mit einer Fortführung der initiierten Aktionsreihe und Öffentlichkeitsarbeit entschlossen entgegenzutreten und sich weiter für ein aktives Gedenken an Samuel Yeboah stark zu machen.
Pressemitteilung der Antifa Saar / Projekt AK zur Demonstration
Anlässlich des 20 Todestages von Samuel Yeboah erinnerten am gestrigen Samstag knapp 200 Menschen mit einer mehrstündigen Kundgebung und Demonstration in Saarlouis an die Ermordung des Flüchtlings aus Ghana. Die Teilnehmer_innen forderten eine Gedenktafel in der Stadt und ein Umdenken in der Flüchtlingspolitik.
Auf der Auftaktkundgebung in der Französischen Straße sprach Peter Nobert als Vertreter des saarländischen Flüchtlingsrats und der Aktion 3. Welt Saar. Er forderte die Schließung des Flüchtlingslagers Lebach, in dem zahlreiche Menschen unter unwürdigen Bedingungen untergebracht sind. Ein Vertreter des Bündnis Buntes Homburg thematisierte in seinem Beitrag das kollektive Verdrängen, wie es im Fall Samuel Yeboah zu beobachten ist. Die Antifa Saar / Projekt AK machte in ihrem Redebeitrag auf den universalistischen Ursprung des antirassistischen Gedankens aufmerksam und warnte davor, diesen durch kulturrelativistische Auffassungen aufzuweichen und ins Gegenteil zu verkehren.
Der Demonstrationszug machte sich dann auf den Weg, um mit Parolen wie „Samuel Yeboah, das war Mord – Widerstand an jedem Ort“ und „Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord – Bleiberecht für alle – jetzt sofort!“ auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen.
Auf der Zwischenkundgebung in der Silberherzstraße sprach der Bundestagsabgeordnete Thomas Lutze (dieLinke) und betonte, dass es ihm, insbesondere wegen dem Umgang der Stadtratsfraktion seiner eigenen Partei, ein besonderes Anliegen sei auf der Demonstration zu sprechen.
Erich Später, Autor der Monatszeitschrift konkret hielt eine Ansprache in der er skandalisierte, dass im Saarland nicht an Opfer rassistischer Mordbrenner gedacht wird, während Naziverbrecher wie beispielsweise Franz-Josef Röder einen festen Platz in der Erinnerungskultur einnehmen. In diesem Zusammenhang wies er auch nochmal auf die Unterstützung der extrem rechten Burschenschaft Ghibellinia durch den ehemaligen Ministerpräsidenten Müller hin und forderte die Verantwortlichen dazu auf, zu verhindern, dass dieser in das Amt eines Verfassungsrichters gelangt.
Lautstark zog die Demonstration dann noch einmal durch die Innenstadt vor das Rathaus, wo zum Abschluss der fraktionslose Linke Dirk Scholl über die ablehnende Haltung des Saarlouiser Stadtrates über seine dortigen Initiativen zur Erinnerung an Samuel Yeboah berichtete.
Ein Vertreter der Gruppe antinationale.org sprach über den Ausbau der „Festung Europa“ und rief zum Kampf gegen die europäischen Flüchtlingsbekämpfungsmaßnahmen auf.
Sara Jost, Pressesprecherin der Antifa Saar / Projekt AK erklärte:
„Die Teilnahme von nahezu 200 Personen an unserer Demonstration zeigt deutlich, dass der rassistische Mord an Samuel Yeboah nicht in Vergessenheit geraten ist. Die Demonstration am Samstag war lediglich der Auftakt weiterer Aktionen, die die Erinnerung an Samuel Yeboah und die Kritik an der Gedenkpolitik der Stadt Saarlouis zum Inhalt haben.“
Bezüglich den jüngsten Äußerungen des Saarlouiser Oberbürgermeisters Henz erklärte Jost weiter: „Wir werden noch an Samuel Yeboah erinnern, wenn an OB Henz längst niemand mehr denkt.“
Die Demonstration wurde organisiert von der Antifa Saar / Projekt AK, der anarchistischen Gruppe antinationale.org und dem Bündnis Buntes Homburg.
Pressemitteilung der Antifa Saar / Projekt AK zu den Nazi-Übergriffen
Wie erst jetzt bekannt wurde, wurden am vergangenen Samstag mindestens zwei Menschen Opfer neonazistischer Attacken in Saarlouis und Dillingen. Bei den Tätern handelt es sich um Mitglieder der Nazi-Kameradschaft „Sturmdivision Saar“, die ihren Schwerpunkt im saarländischen Dillingen hat. Bereits während der Auftaktkundgebung der Demonstration anlässlich des 20. Todestages von Samuel Yeboah am Samstag Nachmittag versuchten Mitglieder dieser Kameradschaft am Rande zu provozieren. Nach Informationen der Antifa Saar / Projekt AK kam es auch schon im Vorfeld der Demonstration durch diese Gruppe zu einem Angriff auf einen anreisenden Teilnehmer in Saarlouis.
Im ersten Fall wurde ein junger Antifaschist von einer Gruppe Neonazis in der Nähe des GLOBUS-Einkaufszentrum geschlagen, als er sich auf dem Weg zu der Demonstration gegen Rassismus und deutschen Nationalismus anlässlich des 20. Todestages von Samuel Yeboah befand. Der Beschreibung nach, die er gegenüber der Antifa Saar / Projekt AK abgegeben hatte, handelte es sich dabei um die fünfköpfige Gruppe, die auch später direkt bei der Auftaktkundgebung in der Französischen Straße enttarnt wurde.
Im zweiten Fall wurde ein junger Antifaschist am Abend nach der Teilnahme an der Demonstration durch das Führungsmitglied der Dillinger Kameradschaft Ralf Weber auf sein antifaschistisches Engagement angesprochen und anschließend ins Gesicht geschlagen. Der junge Mann musste sich mit einer gebrochenen Nase und zahlreichen Prellungen im Krankenhaus behandeln lassen und erstattete Anzeige bei der Polizei.
Alle Angreifer gehören zu einer Gruppe von Neonazis, die bereits seit Jahren in Erscheinung tritt und seit kurzem unter dem Namen „Sturmdivision Saar“ auftritt. Diese Gruppierung hat ein Umfeld von ca. 30 bis 40 Personen und trifft sich regelmäßig in der Dillinger Kneipe „Zur Pumpe“, deren Inhaber zu den Mitbegründern der Kameradschaft zu rechnen ist. Enge Kontakte bestehen unter anderem auch zu dem saarländischen Hammerskin-Netzwerk, deren Protagonist Robert Kiefer regelmäßig auf Treffen dieser Gruppierung zugegen ist. Wie die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift „Der Rechte Rand“ berichtet, ist dieses internationale Netzwerk gerade dabei seine Strukturen im Saarland auszubauen.
Sara Jost, Pressesprecherin der Antifa Saar / Projekt AK erklärte zu den jüngsten Vorfällen:
„Dies zeigt, dass die völkisch-rassistische Ideologie aus der Mitte der Gesellschaft, die zur Ermordung Samuel Yeboahs vor 20 Jahren führte, nach wie vor auch Strukturen hervorbringt, die sich als Vollstrecker des Volkswillens sehen. Diese gehen dann gewalttätig gegen jene vor, die diesem imaginierten Volkskörper nicht zugerechnet werden. Was sich am letzten Samstag gegen junge Antifaschisten entlud, kann sich auch schnell gegen weitere Gruppierungen richten. Es gilt nun effizient auf diesen Naziterror zu reagieren und sich nicht dadurch einschüchtern zu lassen.“
Die Antifa Saar / Projekt AK ruft alle, die in den letzten Tagen oder Monaten Opfer neonazistischer Übergriffe wurden dazu auf, sich an sie zu wenden. Alle Informationen werden vertraulich behandelt und nur in Absprache mit den Betroffenen öffentlich gemacht.
Redebeitrag von antinationale.org
Vor 20 Jahren wurde Samuel Yeboah ermordet. Er war ein Flüchtling aus Ghana, also ein Mensch wie viele andere auch. Ein Mensch, den Hunger, Krieg, Verfolgung und eine umfassende Perspektivlosigkeit dazu trieben, sein gewohntes Umfeld, sein Zuhause, seine Freunde und Familie zu verlassen, um sich in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach Europa zu begeben. Wie diese Hoffnung endete wissen wir alle.
Täglich versuchen hunderte und tausende von Menschen dem Elend ihrer Heimat zu entfliehen, indem sie die ungewisse und gefährliche Reise nach Europa auf sich nehmen. Und täglich versucht ein rießiger Apparat aus Gesetzen und Institutionen dies zu verhindern, ihnen die Einreise und – sofern ihnen diese überhaupt gelingt – den gesicherten Aufenthalt in Deutschland und Europa so schwer wie möglich zu machen. Kurz: Das möglichst wenig Menschen am Wohlstand Europas teilhaben.
Die Bandbreite an Möglichkeiten, die Deutschland und Europa für die „Flüchtlingsbekämpfung“ (wie die deutsche Bundeskanzlerin dies einmal versehentlicherweise, aber dennoch richtig bezeichnete) zu Verfügung stehen sind vielseitig und setzen an verschiedenen Stellen an. Sie umfassen Gesetze, Kontrollen der nationalen Sicherheitskräfte und eine eigene, speziell dafür gegründete, europäische Grenzschutzargentur.
Als in Deutschland, Anfang der 90er Jahre die Flüchtlingsheime brannten, beugte sich das politische Etablissement dem Druck des Mobs auf der Straße und seinen Sprachrohren in Medien und Politik. Aus dem Slogan „Das Boot ist voll!“ entstand 1993 der sogenannte Asylkompromiss. Dieser regelt das, vorher im Grundgesetz verankerte, Recht auf Asyl neu. Eine Neuregelung meint in diesem Fall, das Hinzufügen von Ausnahmen und Sonderregelungen. Das Ergebnis sah so aus, das es numehr fast keinem Flüchtling mehr möglich war einen rechtmäßigen Asylantrag zu stellen bzw. diesen bewilligt zu bekommen. Sofern er überhaupt die Chance dazu erhielt.
Ein zentraler Punkt der Änderung war die sogenannte Drittstaatenregelung, die besagt das das Grundrecht auf Asyl in Deutschland nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn der betreffende Flüchtling aus einem sicheren Staat nach Deutschland einreisst. Praktisch für Deutschland, ist es doch ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben. Die einzig, theoretische Möglichkeit nach Deutschland zu reisen, ohne den Weg über ein solches Land zu nehmen wäre per Flugzeug. Jedoch wurde auch daran gedacht, so ist es durch eine Ergänzung möglich Flüchtlinge direkt am Flughafen abzufangen und ohne die Möglichkeit eines Asylantrags zurück zu schicken. Eine ähnliche Handhabung findet sich auch an den Ländergrenzen selbst.
Die Wirkung dieser Regelungen ließ nicht lange auf sich warten, sowohl die Zahl der Anträge selbst, als auch der Anteil der Bewilligungen sank seit der Änderung kontinuierlich. Im Jahr vorm Asylkompromiss beantragten 438.000 Menschen Asyl in Deutschland, im letzten Jahr dagegen nicht einmal mehr 49.000. Von diesen waren dann stolze 643 rechtmäßig.
Doch Deutschland steht mit einer solchen Verschärfung nicht alleine, im Gegenteil: Die EU zieht fleissig mit. Mit dem Zusammenrücken der einzelenen Mitgliedsländer innerhalb der EU wurde eine gemeinsame Flüchtlingspoltik entwickelt, die der Deutschlands in nichts nachsteht: Die beiden zentralen Instrumente hierbei nennen sich Dublin II und Frontex.
Dublin II ist der umgangssprachliche Name einer EU-Verordnung. Diese besagt, das ein Flüchtling in Europa nur einen Antrag auf Asyl stellen darf, nämlich in dem Land das er als erstes betreten hat. Das schiebt die Verantwortung natürlich auf die Länder, die als klassische Transitländer für Flüchtlinge gelten bspw. Italien, Griechenland oder Spanien. Diese stehen dadurch natürlich stärker unter Druck eine effektive Abwehr von Flüchtlingen zu schaffen.
Dies wurde durch die EU 2004 mit der Gründung von Frontex übernommen. Frontex ist die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen und ist dafür zuständig die so genannte illegale oder nicht regulierte Migration zu unterbinden. Das macht sie mit militärischen Mitteln. Ausgerüstet mit Schnellbooten, Hubschraubern, Wärmebildkameras, Drohnen und Schusswaffen wird die Flucht vor Krieg, Verfolgung und Hunger also rücksichtslos bekämpft.
Weil es aber, aus Sicht der EU immer noch zu viele Flüchtlinge nach Europa schaffen, wird weiter aufgerüstet. Während sich bisher einzelne Einheiten aus europäischen Staaten für Frontex-Missionen im Mittelmeer zusammenschließen mussten, gibt es seit diesem Jahr auch eigenständige europäische Truppen, samt eigenem Kriegsgerät, um die Küsten unsicher zu machen. Für die Eigenständigkeit verfügt die Agentur über ein eigenes Budget in zweistelliger Millionenhöhe. Hinzu kommt eine gewaltige Infrastruktur im Hinterland, die das Handeln von Frontex erst ermöglicht. Dazu gehören die nationalen Polizeien, aus denen sich Frontex rekrutiert oder die Bundespolizeiakademie in Lübeck, die für die Ausbildung in Deutschland zuständig ist. Dazu kommen nationale und vor allem europäische Datenbanken, die Frontex mit personenbezogenen Daten, wie Fingerabdrücken versorgt und auf welche die Agentur zugreifen kann um beispielsweise eigene Analysen und Situationseinschätzungen zu liefern. Solche so genannten Risikoanalysen gehen dann wiederum in die nationalen Migrationspolitiken ein.
Die Gründe für diese und viele andere Mechanismen zur Begrenzung und Bekämpfung von Migration liegen auf der Hand. Der Wohlstand Europas bzw. der westlichen Welt generell ist bedingt durch die Ausbeutung anderer Länder, de facto der südlichen Halbkugel. Eine solche Ausbeutung funktioniert nur durch Abschottung und das Zurückhalten von Ressourcen, denn hohe Profite entstehen nur durch eine breite Konkurrenz und eine Konzentration von Kapital auf möglichst wenige.
Eine gleiche Verteilung der weltweiten Ressourcen läuft der kapitalistischen Logik entgegen. Daraus folgt, das es nicht reicht das bestehende System zu reformieren oder punktuell zu verbessern. Dies ist in einer zufriedenstellenden Form auch gar nicht möglich, da Ausbeutung, Ausgrenzung und Konkurrenzkampf notwendige Voraussetzungen für dieses System sind.
Diese Mechanismen spielen sich jedoch nicht nur auf einer rein wirtschaftlichen Ebene ab, sondern schüren und verstärken soziale Konflikte. Das ständige Ringen um die eigene Existenz bietet einen fruchtbaren Nährboden für Politik der einfachen Lösungen, für ein „Wir zuerst“. Dies beginnt bei der tagtäglichen Isolierung beim Kampf um Arbeitsplätze mit den Millionen von Arbeitslosen und endet mit dem Zusammenrücken als Nation gegen vermeindliche Schmarotzer aus der südlichen Hemisphäre.
In solchen Situationen, von Krise und persönlicher Existenzangst greift meist die Politik der einfachen Lösungen. Anstatt die Ursachen eigener Einschneidungen bei einem generellen Fehler im System zu suchen, werden diese einfach einer bestimmten Gruppe von Menschen zugeschoben. Das diese weit mehr unter den negativen Folgen des Systems zu leiden hatten und haben spielt dabei keine Rolle. Dies sind dann auch die Situationen, in denen ein solches Abwälzen in Ablehnung und diese Ablehnung in unverhohlene Feindschaft umschlägt. Und dies sind schlussendlich Situationen in denen Menschen wie Samuel Yeboah ums Leben kommen.
Wir sind dieses ewigen Konkurrenzkampfes müde und überdrüssig. In einer Welt, die theoretisch mehr als genügend Ressourcen für ein angenehmes Leben für jeden bietet, wollen wir uns nicht mehr gegeneinander aufhetzen und ausspielen lassen. Wir glauben das ein gutes Leben für einen selbst langfristig nur möglich ist, wenn alle Menschen ein gutes Leben haben. Unabhängig von Herkunft und Hautfarbe. Statt Konzentration von Reichtum auf wenige fordern wir Reichtum für alle, statt Abschottung hinter Grenzanlagen und Patrouillien fordern wir grenzenlose Bewegungsfreiheit für jeden.
Gegen Rassismus, Nationalismus und Kapitalismus.
Für die soziale Revolution.