Saarlouis: 20. Todestag von Samuel Yeboah

De­mons­tra­tion gegen Ras­sismus und deut­schen Na­tio­na­lismus am 24.09.2011

Am 19. Sep­tember 1991 fiel Sa­muel Kofi Ye­boah in Saar­louis einem ras­sis­ti­schen Brand­an­schlag zum Opfer. Er ist eines der ersten Opfer ras­sis­ti­scher Ge­walt in West­deutsch­land nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung. An­läss­lich seines na­henden 20. To­des­tags wollen wir mit einer Ak­ti­ons­reihe an Sa­muel Ye­boah, dessen Mörder_innen nie ge­fasst wurden, würdig erin­nern und den ras­sis­ti­schen Alltag in der Bun­des­re­pu­blik und Eu­ropa the­ma­ti­sieren.

Wir knüpfen hiermit an Ak­ti­vi­täten an­läss­lich des 5., 10. und 15. To­des­tags an. Am 10. To­destag hielten meh­rere an­ti­ras­sis­ti­sche Gruppen eine Ge­denk­ver­an­stal­tung ab, in deren Ver­lauf am Rat­haus in Saar­louis eine schwere Stein­platte zum Ge­denken an Ye­boah an­ge­bracht wurde. Die Stadt fühlte sich durch das Ge­denken of­fenbar ge­stört und pro­zes­sierte so­wohl auf straf- als auch auf zi­vil­recht­li­chem Weg gegen die An­brin­gung der Ge­denk­tafel und bekam vor Ge­richt Scha­denser­satz zu­ge­spro­chen.

Am 15. To­destag setzte sich der „Runde Tisch für ein öf­fent­li­ches Ge­denken an Sa­muel Ye­boah“ für die Um­be­nen­nung der um­strit­tenen Lettow-Vor­beck-Straße in Saar­louis in Sa­muel-Ye­boah-Straße ein und ver­suchte, eine „wür­dige Form des öf­fent­li­chen Ge­den­kens“, wie in Mölln und So­lingen zu eta­blieren.

Wir wollen mit un­serer Ak­ti­ons­reihe an diese Formen des Ge­den­kens an­knüpfen. Im Rahmen un­serer Ak­ti­ons­reihe rufen wir am 24. Sep­tember 2011 zu einer De­mons­tra­tion auf, in Erin­ne­rung an Sa­muel Ye­boah und für einen pro­gres­siven An­ti­ras­sismus, der nicht nur den Ras­sismus in der Ge­sell­schaft, son­dern auch die ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nisse kri­ti­siert, die ihn re­pro­du­zieren.

21 Jahre wie­der­ver­ei­nigtes Deutsch­land – 21 Jahre wie­der­ver­ei­nigter Ras­sismus

Der Mord an Sa­muel Ye­boah lässt sich für uns nicht von der spe­zi­fi­schen Aus­for­mung des deut­schen Na­tio­na­lismus zu Be­ginn der 90er Jahre trennen, denn der töd­liche Brand­an­schlag in Saar­louis blieb leider kein Ein­zel­fall, son­dern bil­dete den trau­rigen Auf­takt für eine Serie von ras­sis­ti­schen Über­griffen auf Men­schen im wie­der­ver­ei­nigten Deutsch­land.

Nachdem die Pa­rolen bei den Mon­tags­de­mons­tra­tionen von „Wir sind das Volk“ zu „Wir sind ein Volk“ durch eine völ­ki­sche Kom­po­nente ver­schärft und damit die le­gi­time For­de­rung nach po­li­ti­scher Mit­be­stim­mung zur na­tio­na­lis­ti­schen Mas­sen­mo­bi­li­sie­rung wurde, hätte man die Kon­se­quenzen erahnen können.

Denn egal, ob bei den an­tina­po­leo­ni­schen Auf­ständen oder der ge­schei­terten bür­ger­li­chen Re­vo­lu­tion von 18481, wenn sich in Deutsch­land die Na­tion ar­ti­ku­liert, dann en­dete dies bisher noch immer mit bren­nenden Häu­sern. Da bil­dete auch die deut­sche Wie­der­ver­ei­ni­gung keine Aus­nahme, egal wie li­beral und pro­gressiv sie jähr­lich am Tag der deut­schen Ein­heit dar­ge­stellt wird.

Als nun zu­sam­men­ge­wachsen war, was zu­sam­men­ge­hörte, be­gann das deut­sche Volk mit dem An­zünden von Asyl­be­werber_in­nen­heimen. Die Aus­rede, dass le­dig­lich ei­nige ge­sell­schaft­lich mar­gi­na­li­sierte Neo­nazis für die po­gro­mar­tigen Über­griffe ver­ant­wort­lich seien, ver­tuscht le­dig­lich die ein­träch­tige Ge­mein­schaft in der sich diese Taten voll­zogen. Denn neben den Neo­nazis waren auch die het­zende Presse, die Bei­fall klat­schenden Nachbar_innen, die „nor­male“ Be­völ­ke­rung, die nach ei­genem Er­messen im Prinzip gar nichts gegen Aus­länder haben, und na­tür­lich die Bun­des­re­gie­rung, die im Nach­hinein dem Willen des Mobs mit einer fak­ti­schen Ab­schaf­fung des Asyl­rechts ent­ge­genkam, an den Po­gromen nicht un­be­tei­ligt.

Dabei ist es ge­rade diese ein­träch­tige Ge­mein­schaft im Kampf gegen die Volks­fremden, jen­seits der sons­tigen Ant­ago­nismen bür­ger­li­cher Ge­sell­schaften, die für die deut­sche Na­tion cha­rak­te­ris­tisch ist. Es spielt keine Rolle, ob man Re­dak­teur_in bei der FAZ oder Lang­zeit­ar­beits­lose_r ist, es gibt in sol­chen Mo­menten le­dig­lich die Ver­schmel­zung der Deut­schen gegen die als „fremd“ ima­gi­nierten.

Zwar findet sich in allen Formen ka­pi­ta­lis­ti­scher Ver­ge­sell­schaf­tung Ras­sismus, al­ler­dings ist es un­serer Mei­nung nach trotzdem wichtig die deut­sche Spe­zifik zu the­ma­ti­sieren. In Deutsch­land ist der Par­ti­ku­la­rismus tra­di­tio­nell nicht oder nur wenig aus­ge­prägt. Daraus speist sich der Vor­wurf, dass sich die Deut­schen nie tat­säch­lich von der Ge­mein­schaft zur Ge­sell­schaft eman­zi­piert haben. Hier­zu­lande gibt es le­dig­lich ver­schie­dene Formen von der Sorge um das All­ge­mein­wohl und es exis­tiert kein ener­gi­sches Ein­treten für par­ti­ku­lare In­ter­essen. Dieser Zu­sam­men­halt über Aus­beu­tungs- und Herr­schafts­ver­hält­nisse hinweg lässt sich je­doch nur durch den mas­sen­haften Aus­schluss von Men­schen aus dieser idea­li­sierten Ge­mein­schaft rea­li­sieren. Die Not­wen­dig­keit der Aus­gren­zung zur Wah­rung der Ge­mein­schaft über Un­gleich­heiten hinweg ist der Be­völ­ke­rung oft nicht be­wusst, was je­doch an der Wir­kungs­mäch­tig­keit dieses all­ge­gen­wär­tigen Aus­schlusses von „Volks­fein­den“ oder „Volks­frem­den“ nichts zu än­dern vermag.

Die man­gelnde Eman­zi­pa­tion der Deut­schen von der stumpfen Ge­mein­schaft zur Ge­sell­schaft lässt sich le­dig­lich damit er­klären, dass „die Lands­leute un­mög­lich die be­glückende Erin­ne­rung an die to­tale Ver­schmel­zung von Ge­sell­schaft und Staat abtun können, die ihnen der Na­zi­fa­schismus be­scherte.“2

Dass „jene Iden­ti­fi­ka­tionen und der kol­lek­tive Nar­zissmus gar nicht zer­stört wurden, son­dern fort­be­ste­hen“3, war zu­min­dest ei­nigen be­wusst. So fand 1990 in Frank­furt am Main eine De­mons­tra­tion unter dem Motto „Nie wieder Deutsch­land“ mit 20.000 Teil­neh­mern_innen statt, die vor einem vierten Reich warnten. Zwar be­wahr­hei­tete sich die Be­fürch­tung eines 4. Reichs vor­erst nicht, al­ler­dings wäre es falsch daraus zu schließen, dass in Deutsch­land die Zi­vi­li­sa­tion An­klang ge­funden hätte. Die bren­nenden Ge­bäude in Hoy­ers­werda, Ro­stock-Lich­ten­hagen, So­lingen, Mölln, San­ger­hausen und Saar­louis be­wiesen das Ge­gen­teil. Dass dieser ras­sis­ti­sche Wahn, der unter an­derem Sa­muel Ye­boah das Leben kos­tete, kei­nes­wegs nur von ein paar Dorf-Nazis voll­zogen wurde, be­legen zahl­reiche Zi­tate.

Wenn der Ber­liner In­nen­se­nator Dieter He­ckel­mann (CDU) be­haupten kann, in Ro­stock-Lich­ten­hagen habe sich nicht Ras­sismus ge­äu­ßert, „son­dern der vol­lauf be­rech­tigte Unmut über den Mas­sen­miss­brauch des Asyl­rechts“4 ohne dafür aus dem Amt ge­jagt zu werden, spricht dies Bände hin­sicht­lich der Rea­lität des frisch ge­einten und freien Deutsch­lands. Dabei muss man dem In­nen­se­nator zu­ge­stehen, dass er durchaus er­kannt hat, dass po­li­ti­scher Unmut in Deutsch­land sich darin äu­ßert, Häuser in denen sich Men­schen be­finden nie­der­zu­brennen.
Helmut Schmidt log die Po­grome gleich in be­rech­tigte Not­wehr um und fa­selte davon, dass in Deutsch­land bei zu viel Ar­beits­lo­sig­keit die Ge­sell­schaft „ent­ar­tet“5.

Seit den 90er Jahren hat sich an dieser Si­tua­tion nun viel ge­än­dert, aber wenig ver­bes­sert. Als unter Rot-Grün zum ersten Mal die 68er be­gannen, die Po­litik mit­zu­ge­stalten, for­mierte sich der „Auf­stand der An­stän­di­gen“ gegen Neo­nazis. Als an­stän­diger Deut­scher be­gann man nun gegen Ras­sismus und Nazis zu sein, die man damit zum Rand­pro­blem ver­klärte. Man be­hauptet nach wie vor eine Mehr­heits­ge­sell­schaft, die so­ge­nannte „Mitte“, in der es keinen Ras­sismus und an­dere Ver­satz­stücke na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ideo­logie gäbe und leugnet die tiefe Sehn­sucht der Deut­schen nach dem Ver­schmelzen zur Ge­mein­schaft gegen die Feinde des Volkes, ob nun die zer­set­zende USA, Is­rael oder wie in den 90ern gegen Mi­grant_innen. Tat­säch­li­cher An­ti­fa­schismus leistet je­doch mehr als die Be­kämp­fung von Nazi-Trot­teln, son­dern auch die scho­nungs­lose The­ma­ti­sie­rung der NS-Kon­ti­nui­täten in der deut­schen „Mitte“, auch wenn sie sich bei „Bock­wurst fressen gegen Rechts“ ver­meint­lich auf­ge­klärt und fort­schritt­lich zeigt. Solche Ver­an­stal­tungen täu­schen le­dig­lich dar­über hinweg, dass Hetz­jagden auf Mi­grant_innen zur deut­schen Nor­ma­lität ge­hören.

Phä­no­mene wie Sar­razin zeigen, dass ras­sis­ti­sche Vor­stel­lungen je­der­zeit auch in der ver­meint­lich auf­ge­klärten „Mitte“ der Ge­sell­schaft Zu­spruch finden können.

Wer­te­ge­mein­schaft Eu­ropa

Der Ras­sismus for­dert nicht nur Opfer, wenn er sich in Form eines Volks­mobs ent­lädt. Tag­täg­lich for­dern Ab­schie­bungen und Grenz­ausbau Men­schen­leben. Spä­tes­tens seit 2004, als mit der Ver­ord­nung (EG) 2007/2004 des Rates der Eu­ro­päi­schen Union die „Eu­ro­päi­sche Agentur für die ope­ra­tive Zu­sam­men­ar­beit an den Au­ßen­gren­zen“ (kurz: FRONTEX) ins Leben ge­rufen wurde, tritt die EU ver­stärkt als Ak­teurin beim so­ge­nannten „Mi­gra­ti­ons­ma­na­ge­ment“ in Er­schei­nung. Aus Ver­sehen be­zeich­nete An­gela Merkel dieses Mi­gra­ti­ons­ma­na­ge­ment einmal völlig zu­tref­fend als „Flücht­lings­be­kämp­fung“. Diese Flücht­lings­be­kämp­fung findet zur Zeit haupt­säch­lich im Mit­tel­meer statt. Laut „In­ter­na­tional Centre on Mi­gra­tion Po­licy De­ve­lop­ment“ starben im Mit­tel­meer in den letzten Jahren zehn­tau­sende Men­schen bei dem ver­zwei­felten Ver­such vor Armut und Hunger zu fliehen. FRONTEX ortet Flücht­lings­boote und über­gibt deren Po­si­tion an die ent­spre­chenden süd­eu­ro­päi­schen Staaten, die dann oft­mals ver­su­chen die be­helfs­mäßig zu­sam­men­ge­bauten und meist über­füllten Boote ab­zu­drängen.

Dieses Ab­drängen endet nicht selten töd­lich für die Flücht­linge. Das ge­walt­same Vor­gehen gegen Flücht­linge nimmt ihnen die Mög­lich­keit ge­ge­be­nen­falls einen Asy­lan­trag zu stellen. Ein Recht, das ihnen nach der Genfer Flücht­lings­kon­ven­tion zu­steht, diese An­sicht teilt unter an­derem der „Hohe Flücht­lings­kom­missar der Ver­einten Na­tio­nen“ (UNHCR).

Ein er­schre­ckendes Bei­spiel für das „Mi­gra­ti­ons­ma­na­ge­ment“ der Eu­ro­päi­schen Union ist der Um­gang mit den Flücht­lingen aus Tu­ne­sien, die zu Be­ginn dieses Jahres nach Ita­lien flohen. Die un­ge­fähre Zahl der Flücht­linge be­trägt 30.000, eine An­zahl, die für ein Land wie Ita­lien keine nen­nens­werte Her­aus­for­de­rung dar­stellt und schon gar nicht für die EU. Den­noch rief Ita­lien, bei­nahe pa­nisch, nach So­li­da­rität der an­deren Staaten in der EU und be­gann Tu­ne­sier_innen mit Visa aus­zu­statten und ihnen somit die Wei­ter­reise in die EU zu er­mög­li­chen. Für Deutsch­land und Frank­reich eine Hor­ror­vi­sion, denn bei Flücht­lingen hört be­kannt­lich in der EU jeg­liche Form der So­li­da­rität auf und so wurde ein Jahr nachdem man das 25-jäh­rige Be­stehen des Schengen-Ab­kom­mens be­geis­tert ab­fei­erte mit dem Aus­setzen des­sel­bigen ge­droht. See­hofer gab seinen Zu­hörer_innen beim po­li­ti­schen Ascher­mitt­woch genau das, was sie hören wollten und kün­digte an, jede Zu­wan­de­rung in deut­sche So­zi­al­sys­teme „bis zur letzten Pa­trone“ zu be­kämpfen6.

Dabei stellt die Em­pö­rung Deutsch­lands und Frank­reichs bei der Vor­stel­lung es könnten über Ita­lien ei­nige Flücht­linge ein­reisen keinen Pa­ra­dig­men­wechsel dar. Die Ver­ord­nung (EG) Nr. 343/2003 des eu­ro­päi­schen Rates vom 18. Fe­bruar 2003 (auch Du­blin II ge­nannt) setzte be­reits ein­sei­tige In­ter­essen Deutsch­lands und Frank­reichs durch, da laut Du­blin II jeder Flücht­ling seinen Asy­lan­trag in dem Land stellen muss, in dem, er als erstes die EU be­tritt. Für Deutsch­land mit seiner ex­po­nierten Lage im Herzen von Eu­ropa na­tür­lich sehr an­ge­nehm, für Länder wie Ita­lien är­ger­lich, denn sie müssen für die Kosten für die Asyl­ver­fahren al­leine auf­kommen und haben somit ein ver­stärktes In­ter­esse daran, Flücht­linge be­reits im Mit­tel­meer ab­zu­drängen und sich somit Asyl­ver­fahren sparen zu können.

Doch auch wer es trotz Mi­litär und ab­surder Ge­setz­ge­bung tat­säch­lich schaffen sollte in Ita­lien das Recht auf Asyl zu­ge­spro­chen zu be­kommen, lebt in elenden Ver­hält­nissen. „Flücht­linge – so­wohl asyl­su­chende, als auch solche, die einen Schutz­status be­reits er­halten haben, leben in Ita­lien größ­ten­teils im ab­so­luten Elend und in Ob­dach­lo­sig­keit“7 (Pro Asyl). Al­ler­dings ist auch diese kläg­liche „So­li­da­ri­tät“, die Flücht­linge in Ita­lien er­fahren of­fenbar zu viel und so kün­digte der ita­lie­ni­sche Trans­port­mi­nister fol­gendes an: „Dieses Pro­blem könnte so un­glaub­lich groß werden, dass wir uns fragen müssen, ob wir Waffen ein­setzen sol­len“.

Wer über Ras­sismus in der EU reden will, der sieht sich neben der men­schen­ver­ach­tenden Flücht­lings­be­kämp­fung mit einem un­säg­li­chen Um­gang mit Roma kon­fron­tiert.
Nicht nur in Un­garn, wo Roma auf­grund pa­ra­mi­li­tä­ri­scher Schlä­ger­trupps um ihr Leben fürchten müssen, ist die Lage ka­ta­stro­phal. Im ver­gan­genen Jahr ließ die Bun­des­re­pu­blik alle hu­ma­ni­tären Hem­mungen fallen und schob Kranke, Alte, Kinder u.s.w ohne Rück­sicht auf Ver­luste in den Ko­sovo ab. Viele davon lebten be­reits zwi­schen zehn und zwanzig Jahren in Deutsch­land, spre­chen kein Al­ba­nisch und haben daher keine Chance auf eine si­chere Zu­kunft im Ko­sovo. Wei­terhin be­richtet Pro Asyl von einem zu­neh­menden Ras­sismus ge­gen­über Roma im Ko­sovo: „Nach Be­richten von Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen, des UN-Flücht­lings­hoch­kom­missa­riats (UNHCR) sowie des Men­schen­rechts­kom­missars des Eu­ro­pa­rates, Thomas Hamm­ar­berg, sind An­ge­hö­rige der Roma(…) im Ko­sovo wei­terhin be­droht. Be­reits ab­ge­scho­bene Roma be­richten über Ge­walt und ras­sis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung von Seiten al­ba­ni­scher Po­li­zei­kräfte.“

Aber was dies an­be­langt be­findet sich Deutsch­land mit Frank­reich in bester Ge­sell­schaft, im Juni letzten Jahres trat Sar­kozy un­ver­hohlen eine Ak­ti­ons­reihe gegen »Zi­geuner« los und vers­tieß damit, dass er Bürger_innen aus Staaten der EU aus­weisen ließ, offen gegen die Grund­prin­zi­pien des Schengen-Ab­kom­mens. Die an­fäng­liche Em­pö­rung wurde von den fran­zö­si­schen Kon­ser­va­tiven in Frank­reich mit na­tio­na­lis­ti­schem Ge­fasel von Sou­ve­rä­nität ge­kon­tert und die EU gab ihren Wi­der­stand nach nicht allzu langer Zeit auf.

Der ras­sis­ti­sche und men­schen­ver­ach­tende Um­gang mit Flücht­lingen in­ner­halb der EU lässt sich auch im Saar­land be­ob­achten. So leben zur Zeit in Le­bach 800 Men­schen unter un­wür­digen Be­din­gungen in einem Flücht­lings­lager, in dem es ihnen un­mög­lich ist ein ei­ni­ger­maßen selbst­be­stimmtes Leben zu führen.

Für eine Kritik des Ras­sismus ist also eine Kritik der Eu­ro­päi­schen Union und ihrer In­sti­tu­tionen un­ab­dingbar.

What so­lu­tion?

Wenn wir dazu auf­rufen am 24. Sep­tember für ein wür­diges Ge­denken an Sa­muel Ye­boah und die Kritik des ras­sis­ti­schen Nor­mal­zu­stands auf die Straßen zu gehen, dann lässt sich dies für uns nicht von den ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nissen trennen, die ihn tag­täg­lich re­pro­du­zieren. Zwar ist es ver­kürzt den Ras­sismus als Ne­ben­wi­der­spruch der be­ste­henden Ver­hält­nisse zu re­la­ti­vieren, denn Ras­sismus ist auch in einer grund­sätz­lich an­deren Ge­sell­schaft denkbar, aber ihn iso­liert von der Ge­sell­schaft zu be­trachten wäre blind.

Die per­ma­nente De­gra­die­rung von In­di­vi­duen zu wa­ren­pro­du­zie­renden und -tau­schenden Sub­jekten und die damit ein­her­ge­hende Zu­rich­tung führt ten­den­ziell zu einer Cha­rak­ter­struktur, die an­fällig für ras­sis­ti­sche Ideo­logie ist. Die Träger_innen jener Cha­rak­ter­struktur sind un­fähig kom­plexe so­ziale Pro­zesse ein­zu­schätzen und zu ihrer Er­klä­rung greifen sie auf so­ziale Tickets zu­rück, die von ihrem Um­feld und der Kul­tu­r­in­dus­trie zur Ver­fü­gung ge­stellt werden8.

Bei­spiel­haft lässt sich dies an dem, für sp­ät­ka­pi­ta­lis­ti­sche Ge­sell­schaften cha­rak­te­ris­ti­schen, An­wachsen der „in­dus­tri­ellen Re­ser­ve­ar­mee“ (Marx) ver­deut­li­chen. Durch den dem Ka­pi­ta­lismus in­hä­renten Wi­der­spruch, dass auf der einen Seite Lohn­ar­beit in­ten­si­viert wird und auf der an­deren Seite mehr und mehr Men­schen im Ver­wer­tungs­pro­zess für über­flüssig er­klärt werden, ent­steht eine per­ma­nente Masse von Ar­beits­losen. Wird dieser Me­cha­nismus nicht durch­schaut, son­dern die in­dus­tri­elle Re­ser­ve­armee bio­lo­gi­siert, so ent­steht der klas­si­sche Ras­sismus, der gegen ar­beits­lose Mi­grant_innen hetzt.

Die zu­sätz­liche Ghet­toi­sie­rung durch Gen­tri­fi­zie­rung, eben­falls cha­rak­te­ris­tisch für Städ­te­ent­wick­lung im Ka­pi­ta­lismus, bei der ge­rade jene „in­dus­tri­elle Re­ser­ve­ar­mee“ an den Rand der Stadt ge­drängt wird, führt völlig lo­gisch zum Ent­stehen von hohen Kri­mi­na­li­täts­raten in spe­zi­fi­schen Stadt­teilen. Auch dieses Phä­nomen wird aber oft bio­lo­gi­siert und Mi­grant_innen wird die Schuld für hohe Kri­mi­na­lität und die Ghet­toi­sie­rung be­stimmter Stadt­teile ge­geben.

Der bür­ger­liche Staat ver­sucht solche Wi­der­sprüche zu glätten, mit er­höhter Bul­len­prä­senz in be­stimmten Stadt­teilen, mit der Mi­li­ta­ri­sie­rung des Mi­gra­ti­ons­ma­na­ge­ments um die öko­no­misch Über­flüs­sigen von Eu­ropa fern­zu­halten. Diese Re­ak­tion ist Ein­ge­ständnis der Un­fä­hig­keit des Staates sol­cher struk­tu­reller Pro­bleme Herr zu werden. Nur die Ab­schaf­fung einer Wirt­schafts- und Ge­sell­schafts­form, die zu­neh­mend Men­schen für über­flüssig er­klärt, kann den in­sti­tu­tio­nellen und ge­sell­schaft­li­chen Ras­sismus be­kämpfen. Zwar ist auch au­ßer­halb einer ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­sell­schafts­ord­nung Ras­sismus denkbar und an­ti­ras­sis­ti­sches En­ga­ge­ment in­ner­halb dieser Ge­sell­schaft nicht über­flüssig, aber ohne Kritik an den Struk­turen, die ihn re­pro­du­zieren, bleibt die Kritik doch per­spek­tivlos. Wir wollen nicht von Mul­ti­kul­tu­ra­lismus und In­te­gra­tion reden, nicht von Kita-Plätzen oder Ge­samt­schulen, son­dern die Me­cha­nismen, die tag­täg­lich Aus­gren­zung pro­du­zieren, scho­nungslos of­fen­legen und ab­schaffen!

Nur die Auf­he­bung der ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­sell­schaft zu­gunsten der kom­mu­nis­ti­schen kann diesem men­schen­feind­li­chen Zu­stand sein ge­rechtes Ende setzen.
Kommt am 24. Sep­tember nach Saar­louis!
Keinen Kom­pro­miss mit der Bar­barei!
Gegen Ras­sismus, An­ti­se­mi­tismus und deut­schen Na­tio­na­lismus!

An­tifa Saar / Pro­jekt AK

  1. http://phase2.nadir.org/rechts.php?ar­tikel=558&print.
  2. „Das Kon­zept Ma­te­ria­lismus – Pam­phlete und Trak­tate“.
  3. Theodor W. Adono in seinem Vor­trag „Was be­deutet: Au­f­ar­bei­tung der Ver­gan­gen­heit“.
  4. z.N. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13680768.html.
  5. Z.n. Frank­furter Rund­schau, 12.9.1992.
  6. Auf dem po­li­ti­schen Ascher­mitt­woch der CSU im Jahr 2011, http://www.you­tube.com/watch?v=eJF­Hi­J­bYjEY.
  7. http://www.proasyl.de/de/themen/eu-po­litik/de­tail/news/in_ita­lien_leben_fluecht­linge_in_ob­dach­lo­sig­keit_und_elend-1/.
  8. Vgl. „Stu­dien zum au­to­ri­tären Cha­rak­ter“ von Theodor W. Adorno

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